Osterglocke und Narzissmus

Was hat die Osterglocke mit einem toten Jüngling zu tun?

Jeder kennt die Osterglocke, doch kaum einer weiß etwas über sie.

Sie gehört zu den Narzissengewächsen. Erst der große Pflanzen-Namensgeber Carl von Linné erkannte dies, daher der botanische Name „Narcissus pseudonarcissus“.

In „Narzisse“ steckt das griechische Wort „Narke“ (νάρκη). Es bedeutet Lähmung/Krampf, auch das Wort Narkose hat diesen Ursprung. Der Grund liegt wahrscheinlich im betäubenden Geruch der Gattung, weshalb man die Narzisse früher auch nie ins Schlafzimmer stellen durfte. Die Osterglocke ist zum Glück nicht so intensiv wie ihre Schwestern! Allerdings ist die Pflanze in allen Teilen giftig, vor allem die Zwiebel hat es in sich…

«Ich bin, merk‘ ich, es selbst. Nicht täuscht mich länger mein Abbild.
Liebe verzehrt mich zu mir; ich errege und leide die Flamme.
Was tun?»

Wer sagt diese Worte? – Ihr kennt sie vielleicht, die Geschichte des griechischen Jünglings Narziss. Es gibt eine ganze Anzahl von Varianten dieser Sage. Aber immer geht es um den wunderschönen und hochmütigen Jüngling Narziss oder Narcissus. Die wohl bekannteste Beschreibung findet sich in den «Metamorphosen» des römischen Dichters Ovid. Er beschreibt, wie Narcissus an eine Quelle kommt, um seinen Durst zu stillen. Im Wasser erblickt er sein eigenes Spiegelbild und ist dermassen entzückt, dass er sich augenblicklich in sich selbst verliebt. Aber es gelingt ihm nicht, seinem Spiegelbild näher zu kommen. Die vergeblichen Versuche enden schliesslich mit seinem Tod. – Sein Körper verschwand, aber dafür blieb eine Blume zurück:

«Da war nirgends der Leib. Für den Leib ist sichtbar ein Blümlein
Safrangelb, um die Mitte besetzt mit schneeigen Blättern.»

Wenn wir heute jemanden einen Narzisten nennen, beziehen wir uns auf diese alte Erzählung über einen selbstverliebten Menschen. Auch der psychologische Begriff „Narzissmus“ geht darauf zurück.

Narzissen immer wieder für überraschende Neuigkeiten:

Ein Alkaloid mit dem Namen „Galanthamin“ kommt in Osterglocken vor. Es heisst, es könne das symptomatische Fortschreiten der Alzheimerkrankheit verlangsamen. Natürlich wird es isoliert synthetisch hergestellt.

Auch interessant: In China kam es zu einer Vergiftungswelle, da die importierten Schnittblumen und Zwiebeln im Supermarkt von Kunden mit Lauch verwechselt wurden. (Siehe oben: «Narke» = Lähmung/Krampf)

Gärtner reden auf Grund der starken Hautreizung von Narzissen-Dermatitis, da der Pflanzensaft eine große Zahl an Oxalatkristallen enthält.

Trotz allem darf die mehrjährige Blume bei mir zuerst im Topf auf dem Tisch und später im Garten leben! Und bei dir? Kennst du andere Geschichten über Osterglocken (oder allgemein Narzissen)? Oder hast du Fragen? 🌿

Text und Foto: Karin Himmelreich-Rades
Bildequelle: Wikipedia, Echo und Narziss (John William Waterhouse, 1903, Walker Art Gallery, Liverpool)

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Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Elisabeth Rolli

    Danke für den informativen Beitrag. Sehr interessant! Und die Collage gefällt mir auch;-))

    1. Karin

      Danke dir für dein Feedback…schön, wenn es gefällt! Die Collage hat Annette richtig klasse eingebunden ;)))

  2. Christine

    Hallo Karin,
    Erst einmal freue ich mich, daß du ein Naturweib bist und mit deinem herrlichen Nachnamen das Rad und das Oben verbindest. Ganz schön. Die selbstverliebten Jünglinge , sie dürfen durchaus auch älter sein, wären wunderbar aufgehoben in der Vielfalt der Pflanzenwelt.
    So eine Art Transformation-Quantensprung, wenn der Narzißsmus gar zu toll wird .
    Ich freue mich jedenfalls sehr, dass dein Pflanzenwissen und deine Persönlichkeit durchs Netz wuselt. Lieber Gruß Christine

    1. Karin

      Hallo Christine, vielen herzlichen Dank für die lieben Worte. Ja – vllt schaut man sich die Narzissen mal ganz genau an… zum Thema Transformations-Quantensprung: haben sie alle mieses Karma? 😉 Manch einer vermag zu denken/wissen, dass Pflanzen uns übergeordnet sind. Vllt auch mal ein interessanter Gedankenanreiz zum Thema – „Was wäre ich mal für eine Pflanze?“…

      1. Annette

        ohhhh…das ist ein schöner Impuls für unsere nächste Aktion