Leg dich nicht mit Hexen an

Sie liebt ihren Quantencomputer und sie liebt ihr schwarz-goldenes Notizheft. Weil - sie liebt auch Strichlisten. Und so sitzt sie mit hochrotem Kopf in ihrem kleinen Büro und bereitet alles vor für die große Jahresversammlung. Sie ist neu hier und wurde, wie alle anderen vor ihr, in die Abteilung Lob, Kritik, Anregungen und Sonstiges gesetzt.

Das wusste sie schon vorher. Bevor sie sich dazu entschieden hat, Hexe zu werden. Von klein auf war das ihr Berufswunsch. Und die Hexenleiterkarriere beginnt nun mal in diesem Büro.

Hoffentlich hat sie alles richtig gemacht, nichts übersehen – Schwarz und Gold nicht verwechselt. Die Zeit ist um und sie fliegt mit halsbrecherischem Tempo zu ihrer allersten Jahreshauptversammlung der allerklügsten Hexen unserer Galaxie.

Alle sind schon da, versammelt um den alten Hexenkessel. Der ist immer noch alternativlos. Die Oberhex schmeißt ihren Hexenbesen in die Luft und schon wird die Jahreshauptversammlung mit dem obligatorischen Hexengebrüll eröffnet. Ohrenbetäubend, kreischend, stampfend und wild gestikulierend. Die junge Hexe wird einfach mitgerissen und staunt nicht schlecht, zu welchen kehligen Tönen und waghalsigen Sprüngen sie selbst fähig ist.

Dann ist es plötzlich still. Mucksmäuschenstill.

Alle Hexenaugen schauen zu ihr. Zitternd nimmt sie ihr schwarz-goldenes Strichlistenheft in die Hand und berichtet von dem zunehmenden Lob und von der nicht enden wollenden Begeisterung über das alles übertreffende Hexenjournal. Allerklügste Texte, neueste Erkenntnisse über das Auffinden uralten Wissens, Fotos von bestechender Brillanz, gewagte Bildkompositionen, die die Grenzen des Vorstellungsvermögens aufs äußerste herausfordern, schamlose Accessoires, magische Werkzeuge, schwindelerregendes Kräuterwissen, Frauenporträts von betörender Raffinesse. Und das Allerbeste kommt noch: das Alles wird inzwischen hundert-, nein tausendfach kopiert und geklaut.

STOPP! schreit die Oberhex. Das ist ja nicht zum Aushalten! Dieses hinterfotzige Sich-mit-fremden-Federn-schmücken. War denn alles umsonst? Wir waren uns doch so sicher, dass wir die ultra-ultimative Kräutermischung gegen die Dummheit gefunden haben! Zitternd und schnappatmend rennt sie hin und her. Die junge Hexe ist den Tränen nahe.

Pullen raus! schreit die Oberhex. Jetzt nehmen wir erstmal einen kräftigen Schluck vom Selbstgebrannten. Und noch einen … Und noch einen … wegen der Zahl 3.

Die junge Hexe traut sich herzklopfend eine Frage zu stellen: Aber sagt man nicht gegen Dummheit ist kein Kraut gewachsen?

Zustimmende Schnapsrülpser. Die klügsten Hexen unserer Galaxie fallen in ein fassungsloses Schweigen. Ihr Superplan ist nicht aufgegangen. Ganz im Gegenteil.

Ausgerechnet jetzt bekommt die junge Hexe Schluckauf. Richtig heftigen Schluckauf. Der Quantencomputer im Erdgeschoß hält das für einen neuartigen Algorithmus und schickt ihn rasend schnell um die Welt. Ein neuartiger Virus durchpflügt in Millisekunden die hochsensiblen Systeme.

Die Oberhex wirft ihren Kopf in den Nacken und bricht in kehlig schallendes Gelächter aus. Sie kann sich nicht mehr halten – alle sind sofort und willenlos angesteckt. Tränen kullern, Hosen werden verpieselt, Brüste beben, Schenkel glühen und nur sehr langsam ebbt diese herrliche Flut ab. Letzte Gluckser sträuben sich noch.

So machen wir es! Dummheit kann man in der Tat nicht ausrotten. Und wir haben den Neid unterschätzt. Und außerdem haben wir etwas zu sagen.

Klar will da keiner mehr selber forschen, selber lesen, selber Fehler machen, selber in die Natur gehen, selber rumkritzeln, selber Schiß haben, selber nix wissen, selber sich entdecken …

Was wir jetzt brauchen, ist unser Schluckaufhexenspruch. Und zwar die hundsgemeine Version. Ah, endlich mal wieder so ein richtiger Hexenzauber. Wirkungsvoll ist er und nur scheinbar harmlos. Eine der besten Kopierschutzmaßnahmen überhaupt.

Und dann legen sie los mit ihrem unverständlichen Gemurmel. Nur das vielstimmige Abrakadabra legt sich wie ein Zauberteppich über das lauter werdende Tönen.

Auf einen Schlag ist es ruhig. In ihren Augen tanzt der Schalk. – Es ist vollbracht. Hähähä.

Die junge Hexe schaut fragend in die Runde.

Und du, sagt die Oberhex, schreibst in Zukunft alle, die uns kopieren, ohne uns zu fragen in dein schwarz-goldenes Heft.
Die bekommen nämlich in Zukunft einen Schluckauf vom Feinsten. Erst ganz unbedeutend, steigert er sich mühelos in hektisches Hin und Her-Rennen. Der Kopf wird unter kaltes Wasser gehalten, alles verschwimmt vor ihren Augen – und dann noch diese verflixte Scheißerei … Es ist übrigens klug, uns nicht zu unterschätzen.

Hexenzauber hat natürlich immer auch ein Gegengift parat.

Wie es heißt?

Selber Denken!!!

Ganz einfach. Ist auch gar nicht so schwer.

Autorin: Christine Kostritza – C.A.P.
Bild: Jovanna Roemer

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Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. luciana brusa

    wunderbarst!!! 🙂 witzig, spritzig, spitzig.
    ich lieb deine fantasievolle art auf wesentliches hinzuweisen. selber denken macht spass!
    hinfallen, kopf stossen, im dreck die augen öffnen, erkennen, erfahren, verwerfen, neu erleben!
    danke kostritza, fürs motivieren, ermuntern und vorwarnen… will weder schluckauf noch scheisserei 😂 angehext bekommen.