Zyklische Zeit

Kreise des Lebens

„Rund ist die Urform unseres Lebens“, sagt Galsan Tschinag, Schamane der mongolischen Altai-Tuwiner.

Der Kreislauf des Werdens und Vergehens und wieder Werdens: Lange Zeit bestimmte er, wie die Menschen die Welt wahrnahmen – und wie sie ihre Umwelt dann auch gestalteten. Der Kreis fand sich wieder in ihrer Kunst, in ihrer Architektur, in ihren sozialen Strukturen und auch im Denken. Unsere Vorfahren orientierten sich an dem, was wiederkehrt, an Ähnlichkeiten. Sie dachten in Vergleichen, in mythologischen Geschichten.

Unsere heutige, mitteleuropäische Kultur hat sich von der natürlichen runden Form weitgehend verabschiedet: in der Architektur, in der Kunst und auch im Denken. An die Stelle des Zyklischen ist das Lineare getreten, das Einzigartige, Unvergleichliche, mit einem Anfang und einem Ende. Unsere Zeit messen wir nicht mehr am Himmelsgewölbe mit der Hilfe von Sternen und Planeten. Anstatt dessen ticken unsere Uhren im Sekundentakt: immer vorwärts, möglichst aufwärts auf dem Pfeil, der unsere Lebensspanne darstellt. Stress und Hektik sind die Begleiterscheinungen dieser linearen Zeitwahrnehmung, denn aus dieser Perspektive passiert ja alles nur ein einziges Mal. Diese Chance, die darf man auf keinen Fall verpassen, sie kommt nicht wieder. Und so hetzen wir weiter.  Mit einer immensen Angst vor der Vergänglichkeit, vor dem Alter und dem Tod. Mediziner, Forscher, alle versuchen sie ihn zu besiegen. Vielleicht, weil das Ende unter diesen Bedingungen so unumkehrbar wirkt? Der Kreis des Lebens: zerschnitten zwischen Tod und Geburt?

Dabei macht jeder einzelne Teil des Körpers während unseres Lebens unzählige Sterbe-und-Werde-Prozesse durch: unsere Haut erneuert sich alle zwei bis fünf Wochen, die Leber alle zehn bis 17 Monate, die Haare nach etwa sieben Jahren, unser Skelett nach zehn Jahren. Wie unser Körper schafft es auch unsere Psyche, Verletzungen zu überwinden und heilen zu lassen. Eigentlich können wir doch gar nichts anderes sein als zyklische Wesen!

Lasst uns die Enden wieder miteinander verknüpfen! Lasst uns Kreise bilden, an denen sich unser Denken und Fühlen orientieren kann. Denn vielleicht funktioniert es auch andersherum … nein, ganz sicher: So wie wir unsere Welt gestalten, so nehmen wir sie dann auch wahr. Medizinrad, Redekreis, Kreis des Lebens …

Mein Kreis ist das Mondrad, der Kreis der Spinnerinnen ist das Netz.

Und welches ist dein Kreis?

Text: Dagmar Steigenberger
Fotos:  Ouroboros (Wikipedia), Himmelsscheibe von Nebra, Triskelion (alle Pixabay), Erde (NASA) , Mondrad (Andrea Rosin)

Galerie
der Kreise

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