«Hommage» an einen pädophilen Künstler

Eine «Hommage»* an einen Künstler, der vor 120 Jahren versuchte, Kinder zu vergewaltigen, geht gar nicht!!!!

Mir geht’s um die Darstellung des aktuellen Projekts von Meret Matter & Lucas Niggli:
«Hommage an den art brut Künstler Adolf Wölfli (1864-1930)»

Wölfli, angepriesen als einer, der auf seiner in der Psychiatrie gebastelten Papiertrompete 1000 Stücke komponierte. Ich, als Jazzliebende, sprang sofort darauf an und liess mich locken.

Da ich als Konsumentin auch dafür Verantwortung trage, was ich mir zu Gemüte führe, hab ich etwas recherchiert, und was soll ich sagen, es haute mir das Blech weg. Ich kann es nicht fassen, es treibt mich um, bereitet mir schlaflose Nächte, wie man HEUTE mit alten Taten stillschweigend umgeht.

Allein schon der Gedanke, dass solche Vergehen vor so langer Zeit fast nie – aus Scham oder was auch immer – an die Öffentlichkeit kamen, lässt mich erschaudern. In meinen Gedanken und Träumen spinnt sich ein furchtbares Bild. 1000 Fragen tauchen auf.

Wie viele Kinder hat Wölfli – belegt sind drei Fälle – tatsächlich missbraucht und geschändet?

Wie geht es den Angehörigen der Kinder mit dieser Verherrlichung?

Wie würde es mir gehen, wenn eines dieser Kinder mein Kind gewesen wäre?

Wie kunstgeil und geltungssüchtig war der damalige Psychiatriedirektor?

Warum wird im Jahre 2023 eine «Hommage» an eben diesen pädophilen Künstler erschaffen und aufgeführt?

Warum wird in der Beschreibung des Projektes von Matter & Niggli nicht wirklich auf die Taten von Wölfli eingegangen?

Mir geht es nicht um die Werke von Wölfli!
Mir geht es um die Darstellung und Wortwahl und Nicht-Nennung essenzieller Tatsachen. Warum wird die Biografie von Wölfli verniedlicht?
Zitate:
«Es ist eine wilde Abenteuerreise, die uns an Sehnsuchtsorte der Glückseligkeit, aber auch zu Wölflis Abstürzen führt.»
«Er hat früh viel Gewalt erfahren, wurde dann selbst gewalttätig und schliesslich weggesperrt.»

Wölfli wurde selbst gewalttätig!!! … Was jetzt? Hat er in seinem Wahnsinn jemanden vom Fahrrad geschubst, hatte er eine Kneipenschlägerei??? – So was läuft für mich unter absoluter Vertuscherei! Werde ich als Kultur-Konsumentin verarscht oder gar geblendet? Wird da bewusst die Kinderschänderei von Wölfli unter den Teppich gekehrt, weil die Künstlerin und der Künstler vielleicht ahnen, dass ihr Projekt dann weniger Anklang und Begeisterung hervorruft?

Ich sage NEIN! … 2023 geht so was absolut nicht mehr.
Die, die mal Kinder waren, meine Kinder, deine Kinder, brauchen nach wie vor Schutz.
Wir – Konsument:innen, Künstler:innen, Veranstalter:innen – sollten heutzutage achtsam damit umgehen, wer und was an Kunst & Kultur unter die Menschen gebracht wird, anstatt es gedankenlos als «wilde Glücksuche» zu verwurschten und vermarkten.
Auch reisserische Werbetexte und Ankündigungen sollten wahr und klar sein. Vor allem, wenn auch die Vita des Künstlers als Kunstwerk gesehen wird.

Wer unsere Kinder schändet, sollte absolut keinen Raum, geschweige denn Aufmerksamkeit bekommen.

Lasst den Scheiss mit dem Wort «Hommage» an den Künstler Adolf Wölfli.

Wenn schon «Hommage», dann an die Kinder und deren Angehörige, die mit diesen furchtbaren Erlebnissen ihr Leben weiter bestreiten mussten und müssen.

Text: Annette Roemer

*Hommage: Veranstaltung, Werk, Darbietung als Huldigung für einen Menschen, besonders einen Künstler

 

Quellhinweise:

https://lucasniggli.com/de/bands-projekte-details/meret-matter-lucas-niggli-duo-un-gluecks-fall-linien.html

https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_W%C3%B6lfli

www.derbund.ch/mutter-hatte-das-ganze-bad-mit-woelfli-zugekleistert

Frage an Meret Matter: «Wann haben Sie das Interesse an Wölfli gefunden?» Ihre Antwort:

«Als Kind. Mutter hatte das ganze Bad mit Wölfli-Plakaten zugekleistert, und ich las die Texte darauf, die faszinierten mich damals schon. Für mich zählt er zu den grössten Schweizer Künstlern in jeder Hinsicht. Er ist auch sehr düster. Er hat früh viel Gewalt erfahren, wurde dann selbst gewalttätig und schliesslich weggesperrt.»

Adolf Wölfli Stiftung – gegründet 1975

www.adolfwoelfli.ch/stiftung

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Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Dagmar

    Super, liebe Annette! Ein sehr klares, emotionales Statement – und wie gut, dass du auf dein Innerstes hörst, selbst recherchierst und das Ergebnis in die Öffentlichkeit bringst!

  2. Anon

    Sehr schlechter Journalismus der hier betrieben wird. Wenn man sich mit der Biografie Wölflis und Morgenthalers psychiatrischen Analysen etwas näher beschäftigen würde, wäre der „Fall Wölfli“ zumindest aus psychologischer Sicht etwas verständlicher. Die versuchten Sexualstraftaten sind keinesfalls zu legitimieren, jedoch wird am Text von Frau Roemer sichtbar, dass die Recherche wohl nicht über Wikipedia hinausging. Schade!

    1. Annette Roemer

      Hoi namenloser Mensch. Wer lesen kann ist klar im Vorteil.

      Mir geht es in meinem Text um die Art der Präsentation dieser «Hommage für Wölfli» und was es mit mir macht. Als Kunst- und Kulturkonsumentin möchte ehrlich und richtig über den Inhalt eines Produktes informiert werden, vor allem, wenn die Vita des Künstlers derart ins Zentrum gestellt und für Werbezwecke genutzt wird.

      Da taucht doch unweigerlich die Vermutung auf, dass wohlwissentlich Tatsachen verschwiegen oder verniedlicht werden, weil es heutzutage ein kunstinteressiertes Publikum abschrecken könnte, wenn in der Vita des Künstlers von versuchter Vergewaltigung die Rede ist. Schade, denn ein offener, ehrlicher Umgang mit solchen Realitäten wäre ein mutiger und zeitgemässer Schritt!

      2023 ist ein solches Gesellschaftsbild des Künstlers (ja, leider geht es meist um das männliche Genie) absolut überholt, «out to date». Missbrauch jeglicher Art ist heutzutage nicht mehr tolerierbar.