Der Osterhase kommt vom Mond.

Echt jetzt?

Natürlich! Ein Hase, der Eier legt – und sie dann auch noch versteckt wie ein Eichhörnchen seine Nüsse. So eine Spezies gibt es nicht auf der Erde.

Und übrigens auch nicht in der christlichen Mythologie. Denn die hat mit Sex und Lust und Fruchtbarkeit und all dem, wofür der Hase an Ostern steht, nicht viel am Hut. Im Gegenteil, da stirbt mitten im Frühling der Gottessohn!

Aber zurück zum Hasen und seinen Eiern. Und zum Mond. Diese drei Heidnischen haben sich im Christentum hartnäckig gehalten.

Warum bloß?

Erstens, die Eier: Die Geburt des Welteneies aus dem Schoß der Großen Göttin ist so etwas wie der mythologische Urknall. Aus diesem Ei brach die ganze Welt – Erde und Wasser, Tiere und Pflanzen – hervor. Aus seinem Dotter entstand die Sonne.

Eier gelten als uraltes Fruchtbarkeitssymbol. Außerdem waren sie die Kraftnahrung schlechthin nach einer langen Fastenzeit, die in den vorchristlichen Kulturen sicher auch der Jahreslauf erzwungen hat.  

Zweitens, der Hase: Der Hase, eines der fruchtbarsten Tiere überhaupt, gilt als Symbol von Lebenskraft, sexueller Begierde und Fruchtbarkeit. Dementsprechend begleitet er diverse Liebesgöttinnen, steht aber auch mit Mondgottheiten in Verbindung und verkörpert hier Wiedergeburt und Auferstehung.

Drittens, der Mond: Er ist der Grund, warum wir immer erst rechnen müssen, um zu wissen, wann das Osterfest nun eigentlich stattfindet. Nämlich am ersten Sonntag nach dem ersten Frühlings-Vollmond nach der Tagundnachtgleiche oder – einfacher gesagt – nach dem Waage-Vollmond, dem Zeichen für Liebe und harmonische Begegnungen.

Ähnlich wie das Osterdatum, ist auch der Mond ein wankelmütiger Geselle. Mal ist er da, mal weg. In etwa so wankelmütig wie die Fruchtbarkeit der Frauen; diesen Zusammenhang entdeckten die Menschen schon früh. Und interpretierten den Mond in ihren Mythen dementsprechend.

In ihrer weiblichen Version ist Luna die verführerische Selene, die mütterliche Nanna oder Morrigan, die Göttin des Zyklus von Zerstörung und Erneuerung. In seiner männlichen Version spielt der Mond oft die Rolle eines verschlagenen Kerls im Götterreigen: Bei den Inuit vergewaltigt der Mondgott Anningan, seine Schwester, die Sonne. Der indische Mondgott Chandra verführt eine Jungfrau und zeugt damit die Urahnen eines bedeutenden indischen Königs-Geschlechts. In Japan, Grönland und Alaska geht die Legende um, dass Geschlechtsverkehr mit dem Mond die Menstruation auslöse.

Dass an diesen Geschichten irgendwie etwas dran ist, bestätigt sogar die Wissenschaft. Die Würzburger Chronobiologin Charlotte Förster hat – nicht als erste, aber als erste in einer Langzeitstudie über bis zu 32 Jahre hinweg – einen Zusammenhang zwischen dem Mondlicht, der Gravitationswirkung des Mondes und der Menstruation nachgewiesen. Förster vermutet, dass die Frauen ursprünglich, als es noch kein elektrisches Licht gab, allesamt zu Vollmond bluteten. Wenn die Männer dann ein paar Tage nach Vollmond von der Jagd kamen, ging es bei den Frauen auf deren fruchtbarste Zeit hin. Rund um Neumond schließlich blieb man in den Steinzeit-Nächten besser eng aneinander geschmiegt in der Höhle…

Ein Fruchtbarkeitsfest wenige Tage nach dem Frühlings-Vollmond: PERFEKT!

Und warum kommt der Osterhase jetzt vom Mond? Die Antwort finden wir in China: Dort sieht man nämlich einen Hasen statt einen Mann im Mond. Es ist der Mondhase Yuetu, der für die Mondgöttin Chang’e unablässig Kräuter stampft, die Unsterblichkeit verleihen. Umsonst allerdings, denn eben noch kugelrund, beginnt schon ihr Sterben.

Der Tod, er gehört einfach dazu. Auch zu einem Fruchtbarkeitsfest wie Ostern.

Text: Dagmar Steigenberger
Fotos und Kollage: Annette Roemer

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Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Elisabeth Rolli

    Ah das ist sehr interessant und auch neu für mich. Ich dachte bisher immer, dass die Menstruation in einem natürlichen Licht-Zyklus auf den Neumond fällt. Hast Du irgendwelche Literatur von Charlotte Förster?

  2. Christine

    Hallo Dagmar, ich mag deinen österlichen Hasenritt durch die Mythologie und den Frauenzyklus. Unsere Ahninnen schmunzeln sicher über unser Mondstaunen.
    Ich schmunzle ebenfalls bei deinem Text – die Häsin im Mond !
    Der Frühlings-Vollmond ist startbereit und ich werde ihm rote Eier schenken.
    Liebe Häsinnen-Grüße