Wermut-Destillat

Vertreibt Schatten

Im Moment befinden wir uns in der Phase der Artemis - alle ihre Vertreterinnen können wir jetzt beherzt ernten: Von heimischer Artemisia vulgaris (Beifuß) über andersartige wie z.B. Artemisia annua oder auch Artemisia absinthium (Wermut).

Von der Göttin Artemis bei Vollmondnacht geküsst ging ich jagen … oder besser auf Wildkräuter-Sammeltour. Der Wermut selbst aber steht bei mir im Garten als mannshoher Busch – ein Leichtes, ihn zu abzuernten – traditionell mit Besingen und Segensspruch. Schon beim Ernten steigt einem der Duft in den Kopf – noch mehr beim Zerkleinern und Destillieren der blühenden Pflanzenspitzen. Ein schwummriges Gefühl stellt sich schnell ein 😉 Den intensiven Geruch verdankt der Wermut hauptsächlich dem Thujon, einem psychotropen Wirkstoff mit euphorisierender Wirkung. Thujon ist ein Molekül, das im ätherischen Öl verschiedener Pflanzen vorkommt, wie Thuja, Oregano, Salbei und eben auch Wermut.

Vielleicht kennt ja der eine oder die andere die „Grüne Fee“ bzw. den Absinth: Im echten Absinth ist Thujon enthalten. Manch einer behauptet, Van Gogh hätte sich auf Grund des exzessiven Konsums von Absinth sein Ohr im Rausch abgeschnitten. Angeblich haben sich auch Hemingway sowie Picasso stark von dem Getränk inspirieren und kreativ leiten lassen.

In der Zeit um 1915 wurde Absinth in vielen Ländern Europas verboten – seit Ende des 20. Jahrhunderts ist es – nachdem es sich nicht ausmerzen ließ und die Nachfrage ungebrochen war – in der EU wieder auf dem Markt – allerdings ohne großen Thujon-Anteil. Das Privileg, thujonhaltige Mittel zu verkaufen, obliegt nach Arzneimittelgesetz allein der Pharmaindustrie.

Zum Glück ist bei meinen Destillaten alles im „grünen Bereich“ … soll heißen, dass hier die Ausbeute so minimal ist, dass sich höchstens ein wohliges Gefühl einstellt und sich gewiss keinerlei Rauschwirkungen zeigen können.

Der Wermut steht bei den Pflanzenkundigen im Zeichen der Sonne – des Feuers – des Südens und entsprechend wirkt die Pflanze stark transformierend. Und genau dafür wurde der Wermut auch in der Volksheilkunde Jahrtausende lang verwendet: bei Menstruationsbeschwerden, Krämpfen im Unterleib, Verspannungen, Kopfschmerzen – „Wermut vertreibt Schwermut“ (also stimmungsaufhellend) … aber auch durch seine Bitterstoffe ein Gutes für Leber, Galle, Verdauungstrakt und Appetitlosigkeit. Das Hydrolat wurde bei Augenentzündungen und dem Sehen von Schatten eingesetzt.

Hildegard von Bingen wusste zudem: Die Wermutkur unterdrückt die Lanksucht (Nierenverkalkung), unterdrückt die Melancholie, macht deine Augen klar und stärkt das Herz.

Ansonsten wurde das Kraut als Abwehr gegen allerlei Un-heil eingesetzt: Im alten Ägypten als Zauberkraut, im Mittelalter gegen Hexen und böse Dämonen, aber auch in Tinten aufgelöst gegen Milbenbefall in Büchern, gegen Mäuse oder in der Kleiderkiste gegen Mottenbefall.

Ein Kraut also, das viele Schatten zu vertreiben weiß.

Autorin: Karin Himmelreich-Rades
Fotos: Karin Himmelreich-Rades

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