Schwarz hütet das stärkste Licht

STEILNESET – Hexenmahnmal in Vardö, Norwegen

Architekt: Peter Zumthor
Künstlerin: Louise Bourgeois

77 Frauen und 14 Männer wurden in der Zeit von 1601 – 1692 zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt.

Dømt til ild og bål – Zu Feuer und Scheiterhaufen verurteilt

Christen the Tailor, 1601

Morgen Olsen, 1601

Peter Mand 12.Juli, 1610

Anne, Ehefrau von Laurit Pederson, 13. Juli 1610

Old Zare, 13.Juli 1610

Mons Storebarn, 13. Juli 1610

Mons Andersen, 13. Juli 1610

Lisbeth, Ehefrau von Peter Torfindsen, 1612

Nils Jonsen, 11.August 1617

Maritte Edisdatter, 1617

Karin Edisdatter, 13. Mai 1620

Siri Knudsdatter, 11. Januar 1621

Elsebe Knudsdatter, 27. Januar 1621

Mari Jørgensdatter, 29. Januar 1621

Marrite Olufsdatter, 30. Januar 1621

Karin Olufsdatter, 30. Januar 1621

Ragnhilde Olufsdatter, 1621

Gøri Olsdatter, 12. Februar 1621

Guri Olufsdatter, 16. Februar 1621

Anne Lauritsdatter, 16. Februar 1621

Kirsten Sørensdatter, 26. April 1621

Lisbeth Nilsdatter, 9. August 1621

Ingri, Ehefrau von Thorkild Anderesen, 31. August 1621

Rasti Rauelsen, 31. August 1621

Find Thordsen, 31. August 1621

Elin Thorstensdatter, 8. Juli 1624

Anni Edisdatter, 24. November 1624

Gundell Olsdatter, 24. September 1624

Karen Mogensdatter, 24. Juli 1626

Quiwe Basrsen, 9. Mai 1627

Lisbet, Ehefrau von Oluf Nilsen, 27. September 1628

Kari, Ehefrau von Jetmund Sieversen, 5. März 1632

Synøve, Ehefrau von Anders Nordmøring, 20. März 1632

Kirsten, Ehefrau von Rasmus Sieversen, 29. März 1634

Ingeborg Jørgensdatter, 9. April 1634

Marrite Thamisdatter, 21. April 1634

Sarve Pedersen, 6. Mai 1634

Marette, Ehefrau von Oluf Møring, 5. August 1634

Anne Mattisdatter, 28. November 1634

Nils Rastesen, 30. April 1638

Solve Andersdatter, 30. April 1638

Nils Sarresen, 1638

Sissel Pedersdatter, 8. Juni 1638

Mari, Ehefrau von Østen, 31. Juli 1638

Maren, Ehefrau von Jon Dass, 1638

Anne Smeld, 1640

Kirsten, Hausmädchen, 1640

Marette , Ehefrau von Torsten, 1645

Ehefrau von Oluf Rasmussen, 1645

Mari, Ehefrau von Oluf Jonsen, 1649

Gundelle Omundsdatter, 1. Dezember 1651

Bodelle Danielsdatter, 5. Februar 1652

Baarne , Ehefrau von Willand, 6. Februar 1652

Eli Sigwartsdatter, 6. Februar 1652

Berigette Christophersdatter, 6. Februar 1652

Berigette Johannesdatter, 6. Februar 1652

Marette Andersdatter, 23. Dezember 1652

Synøve Olsdatter, 5. Januar 1653

Berigette Edisdatter, 5. Januar 1653

Lisebet Poulsdatter, 17. Februar 1653

Baarne Olsdatter, 17. März 1653

Anne Pedersdattter, 17. März 1653

Gjertrud Thronsdatter, 20. März 1653

Karen Jonsdatter, 9. Februar 1654

Marette Rasmusdatter, 5. April 1654

Kirsten Olsdatter, 3. Januar 1655

Siri Christophersdatter, 14. März 1655

Mari Tamisdatter, 14. März 1655

Dorette Lauritsdatter, 17. Februar 1657

Margrette Jonsdatter, 6. Oktober 1662

Maren Sigvaldsdatter, 6. November 1662

Ragnild Clemidsdatter, 6. November 1662

Maren Mogensdatter, 28. November 1662

Maritte Rasmusdatter, 28. November 1662

Maren Henningsdatter, 28. November 1662

Sigri Olsdatter, 20. Dezember 1662

Solve Nilsdatter, 12. Januar 1663

Ingeborg, Ehefrau von Peder Krog, 26. Januar 1663

Guri, Ehefrau von Laurit, 26. Januar 1663

Ellen Gundersdatter, 27. Februar 1663

Karen Andersdatter, 27. Februar 1663

Sigri Jonsdatter, 10. März 1663

Gundelle Olsdatter, 10. März 1663

Dorette Poulsdatter, 10. März 1663

Barbra Oladatter, 2. April 1663

Bodel Olsdatter, 7. April 1663

Brigitte Olufsdatter, 7. April 1663

Karen Olsdatter, 7. April 1663

Synøve Johannesdatter, 4. Juni 1678

Sami Elli, 1670

Magdalene Jakobsdatter, 1670

Anders Poulsen, 9. Februar 1692

Auf unserer Norwegenreise haben wir dieses eindrucksvolle Mahnmal besucht. Der Architekt Peter Zumthor und die damals bereits 95-jährige Künstlerin Louise Bourgeois haben diesen Frauen und Männern einen respektvollen, emotionalen, erstklassigen, mutigen und sehr berührenden Platz gegeben. In einer rauen Landschaft, direkt an der Barentsee. Im äußersten Nordosten Norwegens, fern von den üblichen Reiserouten.

Wir betreten den 120 Meter langen, engen Gang. Er hängt in einem Holzgestänge und ist nur schwach beleuchtet. Peter Zumthor hat eine einfache, an die Trocknungsgestelle von Fischen erinnernde Konstruktion gewählt. Links und rechts an den Wänden sind 91 Gedenktafeln angebracht. Auf schwarzer Seide stehen die jeweiligen Namen und Auszüge aus den Gerichtsprotokollen. 91 kleine Fenster sind von 91 Glühlampen beleuchtet. Die Anklagepunkte, die wir lesen, sind bestürzend:

  • Trolldomsutvølse (Zauberei ausgeübt)
  • Sie hatte Beine aus Algen
  • Sie lehnte den verdorbenen Fisch ab
  • Sie versammelten sich als Sandkörner am Strand
  • Sie tanzten zu Mittsommer auf dem Domen (Teufelsberg vor Vardö)
  • Sie verwandelten sich in einen Raben, eine Gans und einen Schwan
  • Sie lösten einen schrecklichen Sturm aus
  • Sie lernten Sami-Zauber
  • Er brachte Steine zum Sprechen
  • Er kannte alle Symbole auf seiner Trommel
  • Sie konnten direkt in die Luft fliegen
  • Sie haben auf dem Boden des Milchtopfes einen schwarzen Fleck gesehen
  • Sie sind im Meer nicht untergegangen
  • Sie haben sich mit dem Teufel verbündet

Wie es uns dabei geht, ist ähnlich. Herzklopfen, Magenschmerzen, Tränen in den Augen, Fluchtimpulse. Doch wir gehen weiter, sehr behutsam. Jeder für sich. Es ist so still in diesem langen Gang und ganz unerwartet entsteht eine besinnliche Atmosphäre. Wo kommt sie her? Darf sie sein? Ist es ein Schutz oder eine Einladung? Es ist diese besondere Stille, die etwas in uns auslöst. Sie erwartet nichts. Sie öffnet Zeit und Raum und gibt frei, was verbunden werden möchte. Ich werde ruhig und zugleich bin ich da. Ganz da. So wohltuend.

Ganz anders der nächste Raum:

Die Verdammten – die Besessenen – die Geliebten

So nennt Louise Bourgeois ihr Kunstwerk. In der Mitte ein einfacher, eiserner Stuhl. Aus der Sitzfläche züngeln permanent 5 Gasflammen. Sie sind dem steten Wind ausgesetzt. Ein heftiger Tanz, unterstützt vom Rauschen des eiskalten Meeres. Über diesem Feuerstuhl und über unseren Köpfen sind 7 ovale Spiegel fast kreisförmig angeordnet. Sie zeigen unsere Gesichter verzerrt und spiegeln die Flammen in alle Richtungen. Hier ist die Anklage, die Wut und die Mahnung ausgedrückt. Der Schmerz trifft uns mit Wucht. Die Wut ebenso. Die Spiegel jedoch fordern unnachgiebig die eigenen Schatten heraus. Sie erlauben keine Distanz und keine Projektion. Louise Bourgeois ist eine Meisterin im Ausdruck von heftigsten Gefühlen. Nichts anderes hat sie ihr Leben lang gemacht.

Leider konnte sie die Eröffnung der Gedenkstätten durch die norwegische Königin im Jahr 2011 nicht mehr miterleben. Sie starb 2010 mit 99 Jahren.

Es war ihr letztes großes Kunstwerk.

Meine Schamanische Reise - einige Wochen später

Ein weißes Rentier fliegt mit mir weit hinauf und bringt mich zu einem schwarzen Zelt. 7 Frauen sitzen um ein Feuer. Sie sind sehr füllig, dunkle Gewänder tragen sie. In der Mitte gegürtet. Die Haare zurückgebunden, irgendwie. Ihre Haut glänzt im Feuerlicht und ihre Arme, Hände und Füße sind zum Teil schwarz vom Ruß. Es geht eine ungeheure Kraft von ihnen aus. Eine, sie sitzt gegenüber vom Zelteingang, wirft ein großes Stück Fleisch in eine brodelnde Flüssigkeit.

Sie interessieren sich überhaupt nicht für mich. Sehen mich gar nicht an.

Louise Bourgeois kommt ins Zelt und setzt sich zwischen die Frauen. Ich bin überrascht. Sie schaut verschmitzt und fühlt sich pudelwohl. Und sie gehört zu ihnen. Ganz klar.

Dann beugt sich die Frau, die mir gegenüber sitzt über das Feuer, nimmt meine linke Hand, dreht sie um und schneidet mir mit ihrem scharfen Messer in die Handfläche. Ein kurzer Schnitt Richtung Handgelenk.

„Mitgefühl“, murmelt sie und lehnt sich wieder zurück. Sie rührt weiter in dem großen Topf. Ich verstehe nicht um was es geht, spüre nur, dass ich einfach da bleiben muss. Ich warte.

Dann schaut sie mir unvermittelt in die Augen und sagt:

Schreib‘ auf – es gibt keinen Tod.

Schreib‘ auf – Schwarz hütet das stärkste Licht.

 

Autorin: Christine Kostritza
Fotos: Christine Kostritza und Eberhard Dederer

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Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Michèle

    Ein ganzes Jahrhundert… mehrere Generationen… was für ein Wahnsinn…
    DANKE fürs Erinnern und Raum geben, liebe Christine!
    DANKE für „Schwarz hütet das stärkste Licht“!
    Mögen wir unsere Freiheiten ehren und nutzen!