Schwanz-Magie

Wir treffen uns, um diesen uralten verheerenden Fluch zu brechen, diesen Fluch von sexueller Gewalt und Krieg zu brechen – zu bannen – für immer und ewig.

Frauen, Töchter, Mütter, Großmütter, Urgroßmütter und Ahninnen aus allen Welten treffen sich des Nachts in der geschützten, warmen tiefsten Tiefe der Ur-Mutter im Kreis am Feuer. Keine spricht, jede weiß, was zu tun ist, jede ist bereit und trägt ihr Krautbündel zwischen ihren warmen Brüsten. Festlich gekleidet in mannigfaltigstem Rot – Orangerot, Heckenrosenrosa, Scharlachrot, Feuerrot, Purpurrot, Weinrot, Menstruationsrot.

Das Feuer des Friedens aus Wacholder-, Rosen- und Holleholz ist entfacht. Es tanzt und züngelt, wohl wissend, diesen einen, doch so wichtigen Bann in alle Zeiten zu tragen. Ins Gestern, ins Heute und ins Morgen – für alle Zeit.

Das Summen und Tönen beginnt, es schwingt und verbindet sich zu einem Ton – dem Ur-Ton. Dieser eine Ton ruft unsere Geister. Der magisch wirksame Kreis schließt sich.

Die, die gerade bluten, gehen in die Hocke und tränken die Erde mit ihrem Blut, formen daraus Phallen und werfen diese Lehmgebilde ins Feuer. Der Klangteppich erhebt sich, die Feuergeister tanzen funkenschlagend in den Nachthimmel.

Die ersten von uns stehen auf, halten ihre Bündel in den Händen. Achtsam gebunden aus Beifuß, Mutterkraut, Schafgarbe, Holunder, Kamille, Frauenmantel, Salbei und Himbeerblättern. Schweigend tritt eine nach der anderen ans Ritualfeuer und legt ihr Frauenkrautbündel hinein.

Die einen halten den Klangteppich, die anderen flüstern Namen. Unendlich viele Namen, vertraute und noch nie gehörte Namen von Kindern, Mädchen und Frauen. Tränen des Schmerzes und der Trauer für die, die waren. Tränen der Freude, der Erleichterung und des Friedens für die, die nun nicht mehr missbraucht und getötet werden.

Zuallerletzt steht das jüngste Mädchen mit ihrem Bündel am Feuer und spricht.

Wenn Krieg und Gewalt
im Manne wüten
Soll sein Schwanz erschlaffen
und schlafen
So passt er nicht mehr
in uns rein
So soll es sein

Sie legt das letzte Bündel ins Feuer. Zusammen sitzen wir ins Feuer schauend im Kreis, bis die erste Lärche singt.

 

Autorin: Annette Roemer
Foto: semprepiusu03 auf Pixabay

Dieser Text ist aus dem Buch der Spinnerinnen – Band 1 – Die Geschichtensammlerin

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