Kräuterbuschen und Baumwesen
Ich liege im Innenhof unserer Stadtwohnung auf der Gartenbank und schaue in die Sterne. Im Verlangen, alleine eine Runde zu drehen, hatte ich kurz an einem Open-Air-Konzert vorbeigeschaut, doch es war nicht mein Ort. Unruhe in mir. Ich bin müde und zugleich zieht es mich hinaus in die Stille, in die Weite, in den Wald. Zuhause schlafen schon alle, so setze ich mich auf mein Velo und fahre los.
Die Mondin leuchtet berührend riesig und hell, es muss kurz nach Vollmond sein. 13. August. Neun Jahre ist es heute her, seit sich mein Seelenfreund urplötzlich von mir verabschiedet hatte. Die Unruhe in mir bricht auf und endlich kann ich weinen. Wie gut, dass ich noch losgefahren bin.
Der Wald ist dunkel und ich muss mich konzentrieren, dass ich mit dem Velo die Wege erwische. Ich fahre zur Lichtung, der ich mich schon länger verbunden fühle, und setze mich an den oberen Rand. Noch vor zwei Jahren war sie kahl, nur ein paar einzelne grosse Bäume standen wie Hüterinnen über den Kluften der Rodung. Kali-Energie pur, die Göttin der Zerstörung und der Wiedergeburt. Ich fühle mich hingezogen von dieser Radikalität, die so viel Raum schafft für Neues. So komme ich wieder und wieder hierher.
Ich sitze eine Weile am Rande der Lichtung und lausche in die Nacht. Ich bleibe mit meinem Blick an einem Baum hängen. Er wirkt ganz fein, als wäre er ein Geistwesen … es ist Sebastian. Mit zwei weiteren Bäumen steht er in einem grossen Dreieck. Mit der grossen kräftigen Kiefer ganz hinten, das bin ich. Und links eine schöne, etwas kleinere Kiefer, Miranda, unsere gemeinsame Tochter. Berührt von dieser Erscheinung halte ich einen Moment inne und lege dann die drei Kräuterbuschen, die ich mitgebracht habe, in einem Dreieck vor mir aus, um sie zu weihen.
Ich spiele auf Sebastians Blechflöte. Das Dreieck der Kräuterbuschen verbindet sich mit dem Dreieck der Bäume, und ein unglaublich wohltuendes Gefühl von Frieden legt sich über uns. Es erfüllt mein Herz zutiefst. Etwas kann heilen. Wunden des Verlassenwerdens, Wunden der gewaltvollen Trennung, Spuren dieses Schocks. Es ist mir, als würde etwas, was zusammengehörte, sich endlich wiederfinden. Gleichzeitig fühle ich eine grosse Dankbarkeit für alles, was jetzt in meinem Leben ist.
In diesem Moment kommt die Mondin hervor und «meine Kiefer» beginnt in ihrem Licht unglaublich zu leuchten. Ich bin zutiefst beeindruckt, möchte zu ihr gehen, doch das Gelände ist zu verwachsen, um im Dunkeln einen Zugang zu finden. Einen Augenblick lang stehe ich voller Entzücken da. Dann verneige ich mich vor diesem zauberhaften Moment, wickle sorgfältig die drei Räucherbuschen in ein Tuch und fahre warmen Herzens nachhause.
Die Räucherbuschen werde ich zu Samhain anräuchern. Es sind die ersten überhaupt, die ich gebunden habe.
Autorin: Petra Meyer
Foto: Petra Meyer
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