Wenn mich eine Feder findet

Wenn mich eine Feder findet, fühlt es sich so an, als würde die Welt um mich herum für einen Augenblick stillstehen.

Ich nehme dieses wunderschöne Geschenk der Natur an mich. Sie ist leicht, fast schwerelos in meinen Händen, und doch scheint sie viel Wissen in sich zu tragen. Ihre Weichheit gleitet über meine Fingerspitzen, berührt mich sanft, so als würde sie mir Geheimnisse zuflüstern, die nur der Wind kennt. Ich halte sie nahe an meine Wangen und spüre, wie filigran sie ist. Es ist, als könnte ich den Hauch des Windes spüren, der sie von weit hergetragen hat. Vielleicht stammte sie von einem Vogel, der Geschichten aus fernen Ländern mit sich brachte? Wo war diese Feder schon überall, bevor sie zu mir kam? Sie birgt die Geheimnisse der fernen Orte, die sie gesehen hat. Als wäre sie eine geheime Botschaft aus einer anderen Welt. Eine Erinnerung an etwas, das auch in mir schlummert. Sie ist ein Bote zwischen den Welten – von Himmel, Erde und allem dazwischen.

Ich bewundere das fein gezeichnete Muster auf der Feder und ihre Farben. Sie erzählen mir von einem Flug, den ich mir nur erträumen kann, von der Weite des Himmels und der Leichtigkeit, die ich manchmal im Leben vermisse. Nach längerem Betrachten mahnt sie mich daran, dass auch ich fliegen kann. Diese Feder ist mehr als nur ein Fundstück – sie ist auch ein altes Versprechen! Jenes, dass auch ich mich erheben kann, getragen von meinen Gedanken und Träumen, so leicht und frei mit dem Wind wie diese Feder. Sie ist ein Symbol meiner inneren Reise, das mich auffordert, all das loszulassen, was mich festhält und belastet. So wie sie von einer leichten Briese getragen wurde, kann ich mich von meinen Sorgen lösen. Es sind diese Momente der Losgelöstheit, wenn mein Innerstes auf die Reise geht, die mich lehren, mich den Strömungen des Lebens hinzugeben. Jeder Windhauch trägt mich weiter – hin – zu neuen Horizonten.

Ja, an manchen Tagen gemahnt mich die Feder an die Flügel der Freiheit, die ich in mir trage. Und an anderen Tagen deutet sie mir an, dass es gut ist, geerdet zu sein. Nicht jeder Flug ist ein Aufstieg in den Himmel. Gelegentlich fliegen wir tief. Dicht über dem Boden. Nah bei uns selbst. Diese Momente des Rückzugs, in denen ich mich von der Aussenwelt abwende und mich meinem Inneren zuwende, sind ebenso wertvoll. Wie die Feder, die irgendwann zu Boden segelt, lande auch ich von Zeit zu Zeit, um mich zu sammeln, um neue Kraft zu schöpfen und um zu reflektieren, bevor ich wieder in die Lüfte steige. Vielleicht sind diese Phasen der Ruhe sogar die wertvollsten. Sie zeigen, dass ich nicht ständig auf der Jagd nach dem nächsten Höhenflug sein muss.

Und dann, wenn ich die Feder wieder loslasse, sie wieder dem Wind übergebe und beobachte, wie sie davongetragen wird, verspüre ich kaum Traurigkeit. Im Gegenteil. In dem Moment, in dem sie sich erhebt und mit einem Luftstoss dem Himmel entgegen fliegt, wird mir bewusst, dass ich nichts festhalten muss, um es wertzuschätzen. Die Feder wird ihren eigenen Weg finden, vielleicht auf jemanden anderen treffen, der sie ebenso in den Händen hält wie ich, als ich sie gefunden habe. Und in diesem Gedanken liegt ein Trost. Nämlich, dass alles miteinander verbunden ist – das erfüllt mich mit Frieden.

Jede Feder wird so ein Teil meiner Reise durch die Wunder der Natur. Es sind kleine Andenken an die Momente der Schönheit, die ich finde, wenn ich ruhig werde und durchatme. Sie sind Erinnerungen an die Freiheit, die in mir lebt, und an die Magie, die sich überall verbirgt. Der Wind, die Feder, der Flug, und auch ich. Wir sind alle Teil eines grösseren Ganzen. Wenn ich das akzeptiere, kann ich in meinem Herzen immer wieder fliegen.

Und so freue ich mich über jede Feder auf dem Weg. Denn es ist ein kleiner Hinweis darauf, dass das Leben mehr ist als das, was vor den Augen liegt – es ist ein leichter Tanz mit dem Wind und ein Flug durch die unendliche Weite der Träume.

Autorin und Bild: Belinda Capobianco

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