Unter dem Flügel der «Weissen Eule»

Eine Handvoll Spinner:innen macht sich auf den Weg zum «Weisse Eule Ritual» bei Schamane Adrian Osswald. Es ist ein sonniger Herbsttag. Die Stimmung ist unbeschwert. Den Morgen besingend, fahren wir aufs Feld, wo die Rotmilane ihre Kreise ziehen. Und bald schon versetzen hier die Trommeln von vielen den Raum in Schwingung und den Schamanen in Trance.

Es ist meine zweite Teilnahme an diesem schamanischen Gruppenritual «Weisse Eule» bei Adrian. Deswegen bin ich dieses Mal nicht nervös. Ich kenne den Ablauf und habe eine Ahnung davon, was mich erwartet. Obwohl das Ritual jedes Mal anders ist. Einzigartig. Ich bin entspannt und habe keine Erwartung an die Eule. Ich bringe nicht bewusst etwas mit, das angeschaut werden soll. Aber ich will ehrlich sein: Es hatte sich doch etwas ins Gepäck geschmuggelt. Etwas, von dem ich dachte, ich wäre noch nicht bereit, es heilen zu lassen. Also quetsche ich es ganz zuunterst in meinen Seelenrucksack und versuche, nicht dran zu denken. In der Hoffnung, es würde ungesehen bleiben. Ha ha!

Vor dem Stall, in dem das Ritual stattfinden wird, warten bereits einige der Teilnehmer.
Im Stall suche ich mir einen Platz im Kreis. Ich finde einen leicht ausserhalb. Eigenartig, aber auch irgendwie passend. Ich bereite meinen Platz vor, damit ich es nachher bequem habe beim stundenlangen Trommeln.

Der erste Teil beginnt mit der Geschichte Adrians: seinem Weg zum Schamanen und der Entstehung des «Weisse Eule Rituals». Beim ersten Mal versuchte ich, aufmerksam zuzuhören und alle Informationen aufzunehmen. Dieses Mal kann ich es als eine Geschichte annehmen. Eine Geschichte, die mich auf das Ritual einstimmt. Sie fliesst ins Unterbewusstsein und tut dort ihr Werk.

Nach einer Pause, in der wir uns verpflegen und nochmal entspannen können, beginnt der zweite Teil. Das Trommeln und die schamanische Behandlung durch die Weisse Eule. Ich freue mich aufs gemeinsame Trommeln. Aber schon bei den ersten Schlägen bemerke ich eine Unstimmigkeit. Meine Trommel scheint so laut und hallend im Vergleich zu den anderen Trommeln. Zudem finde ich irgendwie nicht richtig in den Rhythmus. Ständig hab’ ich das Gefühl, daneben zu sein. Zu schnell. Zu langsam. Nicht im Einklang. Verdammt! Was ist da los? Dann beginnt meine Sitznachbarin auch noch zu rasseln und ich bin vollends raus aus der Gruppe.

Ich spüre, wie ich verunsichert werde. Ich versuche leise zu trommeln, damit ich nicht zu sehr auffalle und die anderen, die alle völlig im Flow zu sein scheinen, nicht störe. Immer wieder versuche ich mich von diesem Denken zu lösen. Freier zu sein. Freier zu trommeln. Aber das Denken kommt immer wieder zurück.

Nach den ersten paar Behandlungen verstärkt sich der Wunsch, endlich dranzukommen. Jedes Mal hebe ich den Kopf in der Hoffnung, die Weisse Eule bitte nun mich in den Kreis. Nein. Noch nicht. Noch warten.

Dann endlich kommt sie auf mich zu. Geleitet mich in die Mitte des Raums, bittet mich, auf den Fellen Platz zu nehmen. Während die Eule sich kurz entfernt, atme ich ruhig. Nehme das Geschenk des Trommelns für mich an.

Die Eule kommt zurück. Setzt sich mir gegenüber. Hinter der Maske bleibt mir der Anblick des Gesichts verwehrt. Aber ich sehe die Augen, die eulenhaft um sich blicken. Die etwas sehen, das mir verschleiert bleibt. Dann nimmt der Schamane seinen Kopfschmuck aus weissen Federn ab und legt sie mir um die Schultern. Augenblicklich fällt so vieles von mir ab. Sorgen, unnötige Gedanken, Angst, Trauer … weg. Ich fühle den Flügel der Eule, die mir den Rücken stärkt. Ich schliesse meine Augen. Weiss nicht, was jetzt noch passiert. Dann spüre ich den Schamanen. Er legt seinen Mund an mein Herz und bläst hinein. Ein Mal. Zwei Mal? Ich öffne meine Augen und lächle. Ein zutiefst zufriedenes Lächeln, das Vorfreude in sich trägt. Ich weiss mit meinem ganzen System: Jetzt gerade ist etwas Entscheidendes entfacht worden.

Die Bussardfeder (mein Spirit-Begleiter in der Luft), die der Schamane benutzt, um die Energie an den richtigen Ort zu wedeln, schenkt er mir zum Abschluss. Dankend nehme ich sie an und nehme wieder meinen Platz ein. Dieser wirkt nun integrierter im Kreis. Eigenartig. Ich nehme meinen Donnermond und schlage im Takt. Oder vielleicht bin ich auch nicht im Takt. Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr. Ich lasse «Es» trommeln. Wie es kommt. Wie es will. Ich gebe mich ab und hin. Und es fühlt sich gut an. Ich nehme mir für eine Weile meinen Raum. Ich darf das. Ich bin ein Teil dieses Kreises. Ein einzigartiger Teil. Wie jeder andere Teil in diesem Kreis einzigartig ist. Jeder darf seinen Raum nehmen. Jeder darf Raum halten. Jeder darf Raum geben.

Ich trommle laut, schnell, rhythmisch. Ich trommle mich. Ich lächle und zwei Tränen fliessen über meine Wangen. Es fühlt sich so gut an. Danach gliedere ich mich in den Trommelkreisrhythmus ein. Auf einmal geht das. Mein Rhythmus ist meiner und doch kann er mit dem Kreis verschmelzen.

Seit meinem letzten Ritual sind etwa zweieinhalb Jahre vergangen. Damals hatte es mich ins Fliessen gebracht. Jetzt darf ich fliegen. Danke weis(s)e Eule.

Autorin: Luciana Brusa
Fotos: Luciana Brusa und eine Weisse Eule Ritual-Teilnehmerin

Und hier gibt’s noch mehr von und über Luciana

Infos zum «Weisse Eule Ritual»

Im Juli 2006 wurde das schamanische Ritual «Weisse Eule» das erste Mal von Adrian Osswald durchgeführt. Bis heute hat es mehrere tausend Menschen berührt und vielen geholfen. Es geht stets um Heilung und Kraft für die Teilnehmer:innen. Ebenso wird aufgezeigt, dass ein solches typisches schamanisches Gruppenritual, welches auf unserem heutigen religiös-kulturellen Hintergrund Mitteleuropas entstanden ist, durchaus Wirkung entfaltet, wenn sich Menschen darauf einlassen. Die Teilnehmenden von über 150 Ritualen durften sowohl Unglaubliches wie auch Profanes erleben, aber sicher immer auch Verbundenheit mit sich und ihrem Leben, den anderen Teilnehmenden, den Geistern und dem Grossen Ganzen.

www.schamanentum.ch

Dir gefällt was wir machen… dann bring uns ins Netz. Danke

Facebook
WhatsApp
Email
Pinterest
Twitter
LinkedIn
Telegram

Schreibe einen Kommentar