Übergänge brauchen Rituale

Wo ist der Kreis der Alten?

Die Bedeutung von Ritualen und weshalb sie auch heute noch wichtig sind

Übergänge im Leben brauchen Rituale, die klar markieren. Und ja, es braucht Mut, sich auf Neues einzulassen.

Wir verspüren in unseren westlichen Gesellschaften eine große Leere, weil Rituale, die das Leben geprägt haben, sinnentleert geworden sind. Es kommt mir so vor, als ob der Priester selbst oft nicht mehr weiß, was er da vorn am Altar macht. Die Folge ist, dass sich die Menschen ein Stück weit verloren fühlen, weil Rituale Struktur und Halt geben. Ich glaube nicht, dass die Rituale selbst verloren gegangen sind. Es fehlen die Menschen, die einst diese Rituale ausgeführt haben.

Früher ist man als junger Mensch in einer Sippe aufgewachsen. Wenn dann die Pubertät gekommen ist, gab es Rituale, mit denen die Erwachsenen die Jugendlichen in das Erwachsenenleben eingeführt haben. Dass die jungen Leute in dieser Lebensphase Rituale brauchen, ist ganz offensichtlich. Heute machen sie es selbst, zum Teil auf eine verrückte Art und Weise. Aber die Alten sind nicht mehr da, die im Kreis rundherum stehen und diese Übergänge begleiten, ritualisieren und bezeugen. Es geht dabei um eine intensive Präsenz der Alten gegenüber den Jungen: Da sein, interessiert sein, das bestätigen, was den Jugendlichen wichtig ist.

Großmütter und Großväter haben bei solchen Ritualen eine wichtige Rolle. Nicht, indem sie dauernd erzählen, wie viel besser früher alles war, sondern indem sie da sind, interessiert sind, zuhören. Auch indem sie achtsam sind und einmal nachfragen, wie es in der Schule geht und wie das mit den Drogen ist.

Ich greife in meiner Arbeit auf schamanische Rituale zurück, weil in ihnen etwas Universelles steckt, das nie verloren gegangen ist. Zum Beispiel die Markierungen auf dem Lebensweg – vom Jugend- ins Erwachsenenalter, vom Ledigsein ins Verheiratetsein – oder ein Ortswechsel, ein Berufswechsel. Das sind wichtige Übergänge, die immer schon markiert wurden.

Es gibt das Vorher, die Mitte und das Ende. Das ist eine universelle Gesetzmäßigkeit, die immer noch gültig ist: Wenn ich etwas Neues beginnen möchte, muss ich etwas Altes loslassen. Ich muss das Land verlassen, bevor ich die neuen Länder finde. Wenn ich das nicht mache, kommt das ganze Leben durcheinander. Das nehme ich in meiner Arbeit wieder auf. Ich nehme kulturunabhängig die Essenz dieser Rituale wieder auf. – Die Leere füllt sich wieder mit Sinn.

Autorin: Susann Belz
Fotos: Annette Roemer

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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Christine Kostritza

    Die Hölzer im Feuer scheinen zu fliegen und spiegelt die Kraft der Rituale. Statt durch die Welt zu stolpern, lässt und das Ritual aufrecht gehen, trotz Herzklopfen. Da wäre ja auch noch der Kreis – der fängt auf, wandelt und webt seinen tiefen Humor in die Räume. Danke für den Kreis und dein Sosein. 💛

    1. PETRA

      Danke Susan, für deine kraftvollen klaren Worte. Besonders diesen einen Satz nehm ich mit: Ich muss das Land verlassen, bevor ich die neuen Länder finde. Wie wahr, wie tief, wie weise. Was für ein mutiger Sprung. Das berührt sie wieder, diese Sehnsucht nach Tod und Geburt ins wahre Sein. Und manchmal schon kann ich diese tiefe Zufriedenheit fühlen.