Die ungeschönte Wahrheit hinter dem Weg in die Tiefe
Schattenarbeit ist eines der kraftvollsten Werkzeuge für inneres Wachstum, aber auch eines der unbequemsten. Es ist nicht etwas, das man „mal eben nebenbei“ macht, wie ein Selfcare-Ritual am Sonntagabend. Es ist kein spirituelles Pflaster, das wir über unsere Wunden kleben, und es ist schon gar nicht mit ein bisschen „Licht & Liebe und positiver Energie“ getan. Schattenarbeit ist ein tiefgreifender, fordernder Prozess, der Mut, Geduld und eine Bereitschaft zur radikalen Ehrlichkeit erfordert.
Was ist Schattenarbeit?
Schattenarbeit bedeutet, sich den verborgenen, oft ungeliebten Anteilen unserer selbst zuzuwenden. Es sind die Aspekte, die wir verdrängt, unterdrückt oder abgespalten haben, weil sie nicht in unser Selbstbild oder in die Erwartungen der Gesellschaft passten. Carl Gustav Jung, der Begründer des Konzepts der Schattenarbeit, beschrieb es als die dunklen, unbewussten Seiten unserer Persönlichkeit, die jedoch einen wesentlichen Teil unserer Ganzheit ausmachen.
Schattenarbeit ist keine bloße Selbstreflexion. Sie ist ein tiefes Graben, ein Betrachten des Schmerzes, der Wunden und der dunklen Geschichten, die wir in uns tragen – und auch der Geschichten unserer Ahnen. Sie erfordert, sich den Schatten zu stellen, ohne ihnen sofort eine Lösung oder eine Rechtfertigung zu geben. Oder Raum für mega Drama!
Kein Schnellprogramm, sondern ein tiefgehender Prozess
Es ist wichtig, hier ehrlich zu sein: Schattenarbeit ist nicht mit einem einmaligen Hinsehen getan. Es reicht nicht, einen Workshop zu besuchen, ein paar Fragen zu beantworten und dann zur Tagesordnung überzugehen. Die Arbeit an den Schatten ist ein langfristiger, intensiver Prozess. Sie erfordert
- Zeit und Raum: Schattenarbeit verlangt Ruhe und Konzentration. Es braucht Momente der Stille, in denen wir wirklich in uns gehen können, ohne Ablenkung oder Eile.
- tiefe Hingabe: Der Prozess ist wie das Abtauchen in eine tiefe Höhle – dunkel, unbekannt und oft beängstigend. Aber nur wer bereit ist, tief zu gehen, kann wirklich Heilung für sich selbst finden.
- Unterstützung durch Ahnen und Spirits: Viele unserer Schatten stammen nicht nur aus unserem eigenen Leben, sondern sind Teil eines kollektiven Erbes. Unsere Ahnen tragen ihre Geschichten, Wunden und ungelösten Konflikte so manches Mal in uns weiter. Schattenarbeit kann bedeuten, diese Geschichten aufzudecken und Heilung in den Generationen zu bringen. Und oft wird vergessen, dass auch in diesen Linien oft so manche Lösungen liegen. Hier gilt es eben nicht nur nach dem, was ungelöst ist zu schauen, sondern auch auf das, was an Lösungen bereitsteht.
Die dunklen Geschichten, die wir in uns tragen
Wir Menschen sind Geschichtenerzähler – und unsere Schatten enthalten die Geschichten, die wir nie laut aussprechen, geschweige denn diese jemandem zeigen wollen würden. Die dunklen Geheimnisse der Familie, die unausgesprochenen Traumata, die kollektiven Schrecken, die sich durch die Menschheitsgeschichte ziehen. Diese Geschichten leben in uns, in unseren Zellen und in unserem Geist. Sie beeinflussen unsere Entscheidungen, unser Verhalten und unsere Beziehungen – oft ohne, dass wir es merken.
Schattenarbeit bedeutet, diesen Geschichten Raum zu geben. Sie anzuerkennen, zu fühlen und sie, wo möglich, zu transformieren. Es bedeutet, sich den Emotionen zu stellen, die damit einhergehen: Wut, Schmerz, Scham, Schuld. Aggression. Ohnmacht.
Die Herausforderung der Integration
Die Arbeit am Schatten ist nur der Anfang. Der wahre Prozess beginnt mit der Integrationsphase. Was tun wir, wenn wir unsere Schatten erkannt haben? Wie lernen wir, mit ihnen zu leben, sie als Teil von uns zu akzeptieren? Diese Integration ist der Schlüssel zur Ganzheit, aber sie erfordert ständige Arbeit. Es geht darum, die Erkenntnisse in unseren Alltag zu bringen, in unsere Beziehungen, unsere Arbeit, unser gesamtes Sein.
Noch eine Warnung vor der Illusion des schnellen „Heilens“
In einer Welt, die nach schnellen Lösungen und ständiger Optimierung strebt, ist Schattenarbeit ein radikaler Akt des Widerstands. Sie lässt sich nicht beschleunigen oder aufpolieren. Wer glaubt, sie mit ein paar Affirmationen oder einer einzigen Sitzung zu erledigen, verkennt ihre Tiefe. Wer denkt, dass es mit ein wenig Affirmationen getan ist, täuscht sich; das wäre so, als würde Mensch auf eine Beule etwas Ausfüllpaste schmieren und neu lackieren.
Warum es sich trotzdem lohnt
Schattenarbeit ist unbequem, ja. Aber sie ist auch befreiend. Sie erlaubt uns, uns selbst in unserer ganzen Tiefe und Komplexität zu sehen. Sie schenkt uns Zugang zu einer Kraft, die nur in der Dunkelheit zu finden ist – in unserer Fähigkeit, das Unangenehme zu ertragen, uns unseren Ängsten zu stellen und mit den Erkenntnissen daraus neu zu wachsen.
Schattenarbeit ist schlichtweg nix für Feiglinge. Sie ist eine Reise für den inneren Mut, für die, die bereit sind, die Masken abzulegen und in die Tiefe zu gehen. Aber wer diese Reise antritt, wird belohnt – mit einer Authentizität, die keine Ablenkung und kein Pseudoglanz ersetzen kann.
Ich mag noch einmal draufhinweisen
Große Kulleraugen
Zaghafte Schrittchen
Verschämtes auf den Boden schauen
Einhorntanz und Prinzessinnenkrone
Liebreizendes Lächeln
Willkommen im Kinderland!
BÄM! Knochenrasseln! Wildes Gelächter!
Es geht vielmehr um
Augen verengen
Haare zu Bergen toupieren
Aufstampfen
Zähne fletschen
Krallenwetzen
Knochenklappern
Krallen wetzen und aus der tiefsten Ebene des Seins zu brüllen
Willkommen im Schattenland!
Autorin: Alexandra Bürkle aka AhnenFrau
Schichtbild: Annette Roemer und teils mit Material von IanZA auf pixabay, pexels anugrahajaylohiya
Dir gefällt was wir machen… dann bring uns ins Netz. Danke
Hallo Alexandra, du hast dich an die Schatten gewagt. Sehr gut. Und uns LeserInnen das “Fürchten gelehrt”. Der Resepekt, die Hingabe, der Mut, die Beharrlichkeit und das Wissen darum, dass wir den Weg nicht abkürzen können. Ich habe durchaus Lieblings-Schatten, die ich nach wie vor gerne anderen andichten möchte, wenigstens einmal berechtigt. Meist nur ein kurzes Vergnügen – danach den Dialog zulassen ist für mich oft anstrengend. Schatten-rum-geeier. Und es lohnt sich und das Licht ist oft auch sanft.
Übrigens ist vielleicht für manche die Prinzessin ein Schatten. Oder die Farbe Rosa. Oder Glitzer… 😉