Drei Welten. Drei Zeiten. Ein Erinnern.
Ich malte an einem Bild: „Die Kalte Sophie mit dem Grünspecht“. Und da war plötzlich meine Omi. Nicht sichtbar – aber sie war da. Wie früher, mit ihren festen Händen, der Kochschürze und einem Satz, den ich nie vergaß: „Wenn’s donnert an Medardus (8. Juni), regnet’s vierzig Tage lang.“
Als Kind war ich ehrfürchtig, wenn es im Juni grollte. Ich lauschte dem Donner, als würde da jemand Größeres sprechen. Omi gab mir nicht viele Geschichten über Naturgeister oder Ahninnen. Aber diesen Spruch, ja, den behielt ich. Er wurzelte irgendwie tiefer, als ich damals verstand. Heute weiß ich: In anderen Welten gab es andere Namen, andere Riten – und oft dieselbe Sehnsucht: den Regen, das Wetter, das Gleichgewicht rufen.
1 – Die neue Welt: Europa heute
Wir haben verlernt, den Regen zu rufen. Stattdessen verlassen wir uns auf Prognosen, Satelliten, Vorhergesagtes. Und parallel liest man im Bauernkalender dennoch von „alten Regeln“.
Von den Eisheiligen.
Vom Siebenschläfer.
Von Tagen, an denen das Wetter sich wenden soll.
Im Nebel der Erinnerungen bleibt etwas zurück von dem, was einst laut gerufen wurde.
2 – Die alte Welt: Der Ur-Schamane im Himalaya
In einer anderen Welt – fern von Europa, in einem Land voller Berge und Nebel: Nepal – lernte ich:
Man formt aus Getreide, Blüten und Eiern eine Figur. Ein Körper, der dem Wald zurückgegeben wird. Er heißt BanJhakri – der Ur-Schamane, der Regenrufer, der mit dem Kosmos tanzt und die Natur erinnert.
Man sagt, er lebt verborgen in Höhlen –
und lehrt jene, die bereit sind zu hören.
3 – Die überlagerte Welt: Die christliche Umschrift
Der Caloian – eine Lehmfigur in Rumänien – wurde früher in die Erde gelegt, mit Gesängen und Tränen.
Für Regen. Für Fruchtbarkeit.
Dann kam Medardus. Ein Mann in einer anderen Robe. Die Kirche nannte ihn Heiligen.
Doch was er ersetzte, war älter, tiefer, weiblicher, durchlässiger. Und Klerus und Patriarchat schafften es nicht, dieses Wissen zu löschen.
Nur zu überlagern.
Denn es lebt weiter – in den Liedern der Alten, in Omis „Zauberspruch“, in den lehmgetränkten Händen der Kinder, in jenen, die mehr sehen und verstehen als das, was gelehrt und verehrt wird.
Die alte Welt ruft.
Und erwacht wieder.
Im Echo neuer Körper.
Und die neue Welt erinnert sich.
Autorin: Süsü – Susanna Amberger
Fotos: Susanna Amberger im Dschungel von Nepal. Opfergaben auf Baumstamm wurde mit Unterstützung von ChatGPT erstellt. Es unterliegt keinen urheberrechtlichen Einschränkungen Dritter. Die Nutzung erfolgt rechtssicher durch die Auftraggeberin Susanna Amberger.
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