Keine Sorge, es folgt kein ekliges Kochrezept. Aber schon irgendwie ein Rezept. Glaub ich. Ach, lies einfach selbst… Xsss!
Die Schlange. Ein ambivalentes Symbol. Vom weissagenden Orakel zum glücksbringenden Drachen bis hin zur verzauberten Jungfrau und der Verteufelung des Weiblichen und Sexuellen. Zsss!
Als Kind mochte ich sie am liebsten als Sagengestalt in den Erzählungen meines Vaters. Besonders Medusa hatte es mir angetan. Eine Figur aus der griechischen Mythologie, deren Blick alle erstarren liess. Was für eine Powerfrau! Voll Faszination und Ekel wollte ich auch immer wieder die Geschichte von der riesigen Schlange hören, die sich irgendwo in unseren Wäldern versteckt halte, zu einem mannshohen Knäuel zusammengerollt, unter ihrem Leib einen Schatz verbergend. Weniger amüsiert war ich über die Begegnung mit einem solchen Schuppentierchen an einem Wandertag im Altweibersommer. Sie lag, perfekt getarnt und für mich unsichtbar, auf einem Stein in der warmen Sonne und döste. Erst im letzten Moment, bevor mein Kinderpopo auf ihr landete, sah ich sie. Durch mein Aufspringen, begleitet von einem spitzen Schrei, aus ihrem Traum gerissen, zischte sie blitzschnell ab ins Gras. Ich sah grad noch das goldene Krönlein auf ihrem Haupt blitzen. Einen Apfel hat sie mir keinen angeboten. Zsss.
Heute, im reiferen Alter, interessiert mich neben den vielen Geschichten und Gesichtern der Schlange ein weiterer Aspekt. Das Häuten. Es ist mehr als eben mal schnell das Tenue zu wechseln. Es ist ein Prozess. Und ich denke, da bin ich gerade drin. Was Wechseljahre?! Pass auf, was du denkst! Ich häute mich zwar, aber meine Giftzähne behalte ich! Xsss! Schliesslich ist es keine vollständige Transformation, die beim Häutungsprozess geschieht.
Du kennst das vielleicht. Eines Tages stellt man fest: «Ich hab’ mich verändert». Man ist noch immer dieselbe Person, aber anders. Wann genau die Veränderung eingetreten ist? Kein Schimmer. Sie vollzog sich schleichend, unbemerkt im Dickicht des Alltags. Als natürliche Abfolge im Leben.
Dieses Mal ist es anders. Da war ein seltsames Gefühl. Über Wochen war es da. Ich kann es nicht beschreiben. Das Einzige, was ich darüber sagen kann: Es war unangenehm und hartnäckig. Es war plötzlich da und blieb. Ein dumpfes Gefühl, als ob ich etwas vergessen hätte. Ich spürte immer wieder hin – und eines Tages fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Da ist eine Veränderung in mir im Gang. Meine alte Haut will abgestreift werden. Aber noch winde ich mich. Lenke mich ab. Arbeite, schlafe, arbeite, schlafe. Versuche, der Schlange in mir aus dem Weg zu gehen. Vergeblich. Sie findet mich im Traum.
Ich sehe zwei verschlungene, sich in den Schwanz beissende Schlangen. Ich kenne dieses Zeichen. Sein Name liegt mir auf der Zunge. Ich durchsuche meine Erinnerungen und werde fündig in Erzählungen aus meiner Kindheit. Natürlich! Die unendliche Geschichte und das Symbol für den ewigen Wandlungsprozess: Auryn! Kaum habe ich den Namen des Kleinods ausgesprochen, löst sich das Bild auf und die sagenumwobene Krönleinnatter erscheint. Sie schlängelt auf mich zu, ein goldenes Schlüsselchen im Mund. Sie windet sich mir dreimal um den Hals. Ich widerstehe dem Drang, mich zu wehren, sie abzuschütteln. Zum Dank lässt sie den kleinen Schlüssel in meine Hand fallen, zischt: «Sich häuten verlangt Reibung. Deswegen fällt es Menschen manchmal schwer, sich von ihrer zu eng gewordenen Haut zu lösen. Es ist unangenehm und schmerzhaft, am Ende aber befreiend.»
Dann wachsen ihr Flügel und sie fliegt davon. Zurück lässt sie ihre alte Haut.
Autorin: Luciana Brusa
Foto: Annette Roemer
Nach Schlangen Art … zum Anhören
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