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Mariä Empfängnis, Feiertag am 8. Dezember: So ein Quatsch, wenn Jesus doch am 24. Dezember geboren ist! Hat die katholische Kirche wieder mal bewiesen, dass sie keine Ahnung von uns Frauen, speziell von den 40 Wochen Schwangerschaft hat?!
Nein, ganz so wild ist es nicht. Denn bei diesem Fest geht es – auch in der Kirche – nicht um Marias Schwangerschaft mit dem Jesuskind. Sondern um die Schwangerschaft von Marias Mutter Anna mit Maria, deren Geburt am 8. September gefeiert wird. Und da haben die Kirchenväter immerhin ganz passende 39 Wochen zurückgerechnet, um den Termin für Mariä Empfängnis festzusetzen.
Katholische Kirche hin oder her: Maria und ihre Mutter Anna erinnern deutlich an diverse Erd- und Muttergottheiten in Religionen lang vor dem Christentum. Die keltische Göttermutter etwa hieß Anu. Und auch der Name der großen sumerischen Göttin Inanna klingt doch sehr verwandt mit Anna. Inanna war die Königin des Himmels, zuständig für Liebe, Sex und Fruchtbarkeit und zugleich ziemlich wehrhaft. Der berühmteste Mythos über Inanna erzählt von ihrem Gang in die Unterwelt: Auf dem Weg dorthin muss sie alles hinter sich lassen, was sie geschmückt und bedeckt hat, sodass sie schließlich splitterfasernackt vor der Königin der Unterwelt steht und mit ihr um die Macht kämpft. Inanna schafft es, den Thron zu besteigen, doch die Strafe kommt sofort: Die Richter der Unterwelt verurteilen sie zum Tode. Die Göttin, unsterblich eigentlich, stirbt. Weil sie vor ihrem gefährlichen Unternehmen jedoch vorgesorgt hat, kann sie mit der Unterstützung des Weisheitsgottes Enki und diversen magischen Kräutertränken wieder zum Leben erweckt werden und darf die Unterwelt verlassen.
Eine zauberhafte Geschichte, die hilft zu verstehen, warum die Marien-Feiertage ausgerechnet im Spätsommer und im Spätherbst liegen – in einer Zeit, in der die Natur sicher nicht mehr vor Kraft strotzt. Der 8. September markiert im Bauernkalender den Herbstbeginn. Da geht es um die Ernte und um ein Abwägen, wie viele Vorräte sinnvoll sind und wieviel man an Samen der Natur überlassen sollte, damit diese im nächsten Frühjahr wieder genügend frisches Grün hervorbringen kann. Wie Inanna wandern die Samen hinab in die Unterwelt. Längst nicht jeder Samen schafft es aber bis ins Frühjahr. Manche werden davor von Tieren gefressen, manche verfaulen im feucht-modrigen November. Inanna stirbt Stück für Stück.
Im Dezember – rund um Mariä Empfängnis – kommt der Frost übers Land. Auch er wirkt erst mal alles andere als lebensbejahend. Aber nur auf den ersten Blick: Denn eigentlich gebietet der Frost den Fäulnisprozessen des Herbstes Einhalt. Diejenigen Samen, die es bis hierhin geschafft haben, sorgen für die nötige Empfängnis – also dafür, dass dem Sex auch tatsächlich eine Schwangerschaft folgt. Mit dem Frost bekommen die Samen jetzt ein eisiges Bett, das sie bis zum Frühling konserviert. Und die Natur darf während ihrer Schwangerschaft endlich in den verdienten Winterschlaf eintreten! Nebenbei betreibt der Frost übrigens Bodenpflege, indem das gefrierende Wasser sich in den feinen Ritzen ausdehnt und größere Erdklumpen sprengt.
Ob nun absichtlich oder nicht: Mit der Einführung der Marien-Feiertage zelebriert die katholische Kirche das alte Wissen über die natürlichen Zyklen – in verschlüsselter Form zwar, aber das macht ja nichts, solange wir wissen, wo die Schlüssel hängen.
Autorin: Dagmar Steigenberger
Fotos: Dagmar Steigenberger, Keitma AdobeStock
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