Lolla war seinerzeit eine Legende – DAS SHOWGIRL – in der Bar Copacabana, bekannt für ihre schrillen Outfits und ihre schillernde Persönlichkeit.

Edi war Tonys Nachfolger, welcher allzu früh aufgrund von Bandengeschichten, die damals an der Tagesordnung waren, sein Leben verlor. Edi, der kleine dickliche Italiener mit einem großen Herzen und seinem unerschütterlichen Glauben an die Liebe.

Edi war anders, als manch’ ein Landsgenosse, er gehörte nie einer Gangster-Bande an; er war ein Träumer mit einem Hauch von Rebellion. Gemeinsam hatten sie ein neues Leben aufgebaut – voller Lachen, Musik und unvergesslicher Nächte unter dem Sternenhimmel.

Ihre junge Ehe war geprägt von einer erotischen Offenheit, die sie beide genossen hatten. Sie tanzten auch nach Barschluss noch oft bis zum Morgengrauen, erkundeten die Geheimnisse ihrer Körper und entdeckten die Tiefen ihrer Seelen.
Doch mit der Zeit veränderte sich vieles. Die Kinder kamen – kleine Wunder, die ihr Leben bereicherten und gleichzeitig herausforderten. Die Zeit verging im Flug. Die Kinder gingen.

Die Flasche Rotwein bei Edi wurde zu einem Ritual nach einem langen Tag; es gab weniger Zeit für leidenschaftliche Nächte und zudem veränderten sie sich, ihre Körper veränderten sich; die Spuren des Lebens hinterließen sichtbare Zeichen auch auf ihrer Haut, die viel gelebtes Leben widerspiegelte.

„Wir haben so viel miteinander erleben dürfen“, murmelte Lolla mehr für sich, dennoch blickte Edi sie an und fragte nach: „What? Was sagtest du HoneyPie?“ Seine Schwerhörigkeit und beginnende Demenz wurden tagtäglich präsenter.

„Wir, so viele Höhen und Tiefen.“ Edi nickte nachdenklich. „Die Leidenschaft hat sich verändert“, sagte er sanft. „Aber unsere Liebe ist gewachsen.“ Er nahm ihre Hand in seine und drückte sie fest. „Es gibt so viele Arten von Intimität – das Teilen von Gedanken, das gemeinsame Lachen über alte Geschichten oder einfach nur das Sitzen hier zusammen.“

Lolla blickte zu Boden.

Ja, das Lieben im Alter, die Sexualität im Alter, darüber ist es so schwer zu sprechen, sich zu öffnen, überhaupt und vielleicht besonders Edi gegenüber.

„Weißt du“, fängt sie an, „Bella, die Nachbarin von gegenüber, erwähnte, dass die Heimleitung nun eine Sexualassistenz einführen will.“
„WHAT – ma come?“ – Wenn Edi aufgeregt war, verfiel er immer noch ins Italienische. „Aber AmoreMio, das geht doch nicht, das ist doch nicht erlaubt, nicht fein, da muss ich noch öfter meinen Pastor besuchen und fragen, ob das geht, hä?“

„Doch, doch“, meint Lolla, „ich las letztens auch in einem Blatt, das in der Bibliothek der Residence auslag, dass es immer mehr Studien darüber gibt, dass Sexualität auch im hohen Alter ein großer, diskussionswerter und diskussionsnotwendiger Faktor ist und dass Pflegeheime, Seniorenresidenzen diesbezüglich umdenken oder neudenken und auch das Pflegepersonal diesbezüglich schulen wollen. – Es sollte den Bewohnern – also uns – und auch demenziell Erkrankten, Singles und besonders Ehepaaren – also auch uns – möglich sein, Intimitäten auszutauschen bei zugesperrter Türe, ohne Angst zu haben, dass das Personal, ohne zu klopfen einfach hereinkommt und wir quasi erwischt werden.“

„Really, HoneyBee? – Das überrascht mich jetzt, darüber muss ich nachdenken, denn das kenn ich nicht, weiß ich nicht, wie und so … Lolla, du bringst mich immer noch ins staunende Schwärmen und ich bekomm immer noch Herzklopfen, wenn du so Sachen sagst.“

„Ich bin so dankbar für dich“, flüsterte Lolla schließlich und sah Edi tief in die Augen. „Für all die Farben unseres Lebens.“
Edi lächelte zurück, halb aufgeregt, halb verlegen – ein ehrliches Lächeln voller Dankbarkeit für all die Jahre an ihrer Seite.
„Komm, Love, es ist Zeit fürs Abendbrot“, murmelte sie, während die Sonne langsam hinter den Hügeln verschwand.

☆ Im Herbst ihres Lebens freute sie sich immer noch auf ihr weiteres gemeinsames Abenteuer; es würde immer neue Kapitel geben, sofern sie sich einließen. ☆

Jetzt vielleicht mit Hilfe der SexualAssistentin, die ihren Körpern, die ihre Jugend verloren haben, eine (neue) Möglichkeit der körperliche Liebe aufzeigen konnte, in einer ruhigeren, tieferen Qualität als in den jungen Ehejahren, ein weiteres (neues) Quell von Vertrauen, Heimat und erotischer Geborgenheit.

LollaTheShowgirl and EdiTheLittleBIGCapone

Autorin und Kunststück: (c)LaSüsü – Susanna Amberger