Lichtwechsel

Wenn der Mond seine Macht abgibt

„Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können.“ Friedrich Nietzsche wurde zwar nicht im Wassermann-Monat geboren, aber seine Worte treffen den Geist der Zeit rund um Lichtmess und Fasching ziemlich genau.

Jetzt ist sie also vorbei, diese dunkle Zeit, die den Nächten geweiht ist. An Lichtmess hat der Tag der längsten Nacht des Jahres schon wieder eine ganze Stunde abgeluchst. Endlich wieder mehr Licht, mehr Wärme! Jetzt, zur Hochphase des Winters, dürfen wir ihn getrost vertreiben, diesen garstigen, kalten und grauen Gesellen vor der Haustür.

Manchmal finde ich das schade. Dann, wenn der Schnee in dichten Flocken am Fenster vorbei wirbelt und lautlos das Unschöne an meinem geplünderten Gemüsebeet zudeckt. Wenn nachts die weiße Landschaft den grellen Mond reflektiert und alles in fremdem, farblosem Licht erscheint. Zu keiner anderen Zeit zieht der Vollmond eine so hohe und lange Bahn über unseren Hof hinweg. Und das, nachdem gerade mal zwei Wochen zuvor die Nacht so lang und finster war, dass ich in unserer Einöde ohne Straßenlaternen und andere Lichtverschmutzer kaum die Hand vor Augen gesehen habe.

In meinem Inneren ging es in dieser Zeit ähnlich extrem zu: Meine Gefühlswelt wurde regelmäßig durchgeschüttelt von rebellischen Null-Bock-Erdbeben, ertrank in Ich-kann-das-nicht-Seufzern und knirschte beim Zähne-Zusammenbeißen. Genauso regelmäßig aber tauchte ich tief ab in meine kraftvolle Welt der Träume, ließ mich im Schutz meines warmen Zuhauses hin- und herwiegen von der heulenden Frau Percht draußen, betrachtete fasziniert die finstere Schönheit des Sternenhimmels.

Nun verliert der Mond, der Herrscher über die Gefühle, seine Macht täglich ein Stück mehr an die Sonne. Wie draußen die Schneeflocken, so wirbeln in mir tausend neue Ideen. Bald schon wird alles bersten vor Grün und Bunt, keine Spur mehr von Null-Bock und Ich-kann-das-nicht.

40 Wochen – die Zeit einer Schwangerschaft – dauert es, bis die Weihnachtszeit von Neuem beginnt: die Zeit, die der Nacht geweiht ist und zu deren Höhepunkt die Sonne neu geboren wird. Die Erinnerung daran lässt mich hoffentlich achtsam, wachsam bleiben mir selbst gegenüber, während ich den Jahreszyklus einmal mehr durchwandere.

Text und Fotos: Dagmar Steigenberger

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