Ich bin, du bist, wir sind invasiv

Kennst du die kanadische Goldrute? Oder den Sommerflieder? Oder diese kleine Muschel, die gerade dem Bodensee einige Probleme macht, die Quagga Muschel? Sie alle haben etwas gemeinsam: sie sind invasiv.

Invasiv bedeutet «eindringend» und beschreibt, wie sich eine Art in einem neuen Gebiet ausbreitet und einheimische Arten bedroht. Gebietsfremde Pflanzen oder Tiere, die sich schnell ausbreiten und der Umwelt schaden.
Wann ist wer wo invasiv? Welcher Zustand davor gilt als wünschenswerte Erhaltung? Ist die Natur auf unser Einwirken angewiesen, damit ein Zustand erhalten bleibt oder ist die Veränderung und Anpassung unserer grünen Mitwelt die einzige Konstante, die es schlussendlich gibt? Hier, wo mein zu Hause ist, gab es früher riesige Auenlandschaften. Menschen kamen, legten Land trocken und betrieben Landwirtschaft. Sind diese ersten Bewohner meiner Heimat invasiv gewesen?

Die kanadische Goldrute ist eine Heilpflanze mit harntreibender, entzündungshemmender und krampflösender Wirkung, die hauptsächlich zur Durchspülung der Harnwege bei leichten Entzündungen, zur Vorbeugung und Behandlung von Nierensteinen und Nierengriess sowie bei Reizblase eingesetzt wird. Eine tolle Heilpflanze mit Heileigenschaften, die praktisch identisch sind mit denjenigen der einheimischen Goldrute. Sie nimmt zurzeit viel Platz ein im Wald vor meiner Haustüre. Tatsächlich glaube ich aber nicht daran, dass in ein paar Jahren der Wald nur noch voller Goldrute sein wird.

In meinem Garten gedeihen Kartoffeln und im Frühling blühen Tulpen, beide waren auch einmal invasiv, da neu. Nur wurden sie nicht so bezeichnet, weil erwünscht. Oder weil der Ausdruck invasiv noch nicht erfunden war.

Draussen in der Natur findet jeden Tag Evolution statt. Evolution beschreibt die schrittweise Veränderung vererbbarer Merkmale von Lebewesen über Generationen hinweg, was zu grösserer Artenvielfalt und neuen Phänomenen führt. Die biologische Evolution ist ein zentraler Prozess in der Biologie und erklärt, wie von Charles Darwin beschrieben,  die Entstehung der heutigen Artenvielfalt aus gemeinsamen Vorfahren durch Mechanismen wie natürliche Selektion, Genfluss, Mutation und genetische Drift.

Ewas, was nicht immer zu meinen Befindlichkeiten passt. Frei nach dem Motto, in meinem Rasen darf nur Gras wachsen. (Was nicht der Tatsache entspricht, die Wiese um unser zu Hause ist weit entfernt von etwas, das die Bezeichnung Rasen verdient.)

Was passiert, wenn das auf menschliche Gemeinschaften angewendet wird? Eine Gemeinschaft, die schon länger besteht und plötzlich kommt etwas Unbekanntes dazu.
Die Zusammensetzung einer Gemeinschaft, welcher Art auch immer, ist nichts Fixes, weil Veränderung der einzig sichere Wert ist. Wenn Evolution immer und überall stattfindet, bezeichnet «invasiv» dann eine persönliche Sichtweise auf eine vorhandene Struktur? Wenn der Mensch sich in einer vorhandenen Struktur gut zurechtfindet, wie hoch ist sein Interesse an einer invasiven Veränderung?…

In der Natur überlebt ganz klar der Stärkere, er ist der Gewinner aller gegebenen Bedingungen. Die menschliche Spezies hat die Möglichkeit der bewussten Handlung. Nicht dass diese die Evolution aufhalten kann, aber sie hat das Potenzial, die Richtung mitzubestimmen. Wenn ich diese grosse Verantwortung wahrnehme, welche Werte verankere ich darin?

Du darfst alles sein und alles tun, solange du niemandem Schaden zufügst, nicht Mensch, nicht Tier und nie unserer Erde. Du stehst in deiner Verantwortung für das, was du tust, denkst, fühlst und sagst, für deine Werte, für deine soziale Intelligenz und den Anstand, den du hoffentlich gelernt hast. Das ist mein Kompass, meine Richtung.

Was wäre, wenn das wilde Wurzelweib auf einem magischen Berg wohnen würde und zaubern könnte? Simsalabim und dalli dalli, das gilt ab jetzt für alli! (Der Zauberberg steht in der Schweiz ;-)) Dann hätte das Wort invasiv eine völlig andere Bedeutung. Neugier und Freude vielleicht.

Klar, damit lässt sich nicht für alles eine Lösung finden. Für die Art und Weise einer Entwicklung aber durchaus.

Die kanadische Goldrute hätte die Chance, ihre guten Eigenschaften in unsere heimische Fauna und Flora zu integrieren. Ohne zu dominieren.

Das wäre genau mein Ding!

Autorin: Claudia Burren
Fotos fürs Schichtbild: Luana Lightwood, Annette Roemer

Hier gibt’s mehr von und über Claudia

Dir gefällt was wir machen… dann bring uns ins Netz. Danke

Facebook
WhatsApp
Email
Pinterest
LinkedIn
Telegram

Schreibe einen Kommentar