Herbst-Tagundnachtgleiche

Zwischenzustand zwischen Tag und Nacht

Die herbstliche Qualität der Dankbarkeit

Tag und Nacht sind gleich lang. Ab jetzt werden die Nächte immer länger, wir machen uns auf den Weg in die Dunkelheit. Wenn man den Jahreskreis auf den einzelnen Tag überträgt, dann entspricht dieses Fest dem Sonnenuntergang, dem Abendrot und der Dämmerung.

Und jeder weiß, wie schön das ist und wie intensiv die Farben eines Sonnenuntergangs sind im Spannungsfeld zwischen untergehendem Licht und schon heraufkommender Nacht. Und so ist auch der Herbst, dieser große „Sonnenuntergang des Jahres“.

Wir befinden uns in einem Zwischenzustand, auf der Schwelle zwischen Tag und Nacht. Zwischen Sommer und Herbst, zwischen Licht und Dunkelheit. Zum Herbst gehört die absteigende Energie, beginnendes Alter, beginnende Weisheit, Wehmut und Abschied.
Jetzt kommt die Zeit, mit dem tiefen inneren Wissen in Berührung zu kommen, zurückblicken können und ernten, was gesät wurde. Auch nach getaner Arbeit ruhen, in großer Dankbarkeit vor dem Haus sitzen. Der Dankbarkeit geht die Fähigkeit des Zurückschauens voraus und schon in beide Richtungen sehen können.

Die Magie gehört in diese Zeit. Man kann weit sehen, schon in andere Welten hinübersehen. Wie an einem strahlend hellen Herbsttag, an dem man weit, bis weit über den Horizont hinaus, sieht. Bergspitzen sind zu sehen, die den ganzen Sommer nicht sichtbar waren.

Jetzt ist der Übergang vom Licht in die Dunkelheit. Die Fähigkeit, im Dunkeln zu sehen und der Mut, das Dunkle anzusehen, wachsen. Mit großer Freude sollten jetzt langgetragene Lasten losgelassen werden. Die Reise wird leichter, je mehr Ballast abgeworfen wird und jedes Loslassen bringt uns besser über den Winter.

Wärmende Sonne im Herbst: die kleine Sonnenblume

Topinambur (Helianthus tuberosus)

In dieser Zeit blüht auch endlich die kleine Sonnenblume, die Topinambur. Sie kommt ursprünglich aus Mittelamerika und ist in den Gärten Mitteleuropas heimisch, kaum ein Bauerngarten ohne Topinambur. Inzwischen kommt sie auch schon verwildert vor.

Ihre vielen Namen weisen auf ihre Anwendung und Wirksamkeit hin. Erdartischocke, Erdschocke, Erdsonnenblume, Erdtrüffel, Borbel, Ewigkeitskartoffel, Indianerknolle, Knollensonnenblume, Rosskartoffel, Schnapskartoffel und viele mehr.
Sie ist vor allem wärmend und stärkend, unterdrückt das Hungergefühl, regt die Verdauung an und senkt den Cholesterinspiegel.

Lang ist sie einfach nur in die Höhe gewachsen. Bis zu 4 Meter hoch kann sie werden und zeigt mit ihrer Größe ihre große Heilkraft. Topinambur galt früher als Armeleuteessen und ist inzwischen aufgrund ihrer vielen gesundheitsfördernden Wirkungen bekannt.

An ihren Wurzeln bilden sich essbare Knollen. Da diese nicht sehr gut gelagert werden können, ist es am besten, sie gleich nach dem Ernten zu essen. Sie werden wie Pellkartoffeln in Wasser gekocht. Geerntet wird jetzt im Herbst und dann, je nach Schneelage, den ganzen Winter hindurch, bis ins Frühjahr hinein.

Die ruhige, tiefe Kraft der Topinambur

Mit Topinambur geht die Sonne im Leben auf, sie nährt und wärmt. Sie macht zufrieden und glücklich, mit allem was ist. Topinambur hat diese ganz herbstliche Qualität der Dankbarkeit. Sie lässt ruhig sehen was war, was ist und was noch kommen mag. „Und es ist gut so“, ist ihre Aussage.

Sie hilft bei Heimatverlust, bei ganz schweren Erkrankungen und Angst vor dem Sterben. Ein unerschütterliches Leuchten geht von ihr aus.
Leber und Galle werden durchblutet und alles, was jemals über die Leber gelaufen ist, weggestrahlt.
Sie wärmt den unteren Rücken, nach dem vielen Ernten und Bücken kann der Rücken sehr belastet sein. Sie durchwärmt den Unterleib, macht glücklich und satt in den Lustorganen. Es geht nicht mehr um das Drängen des Frühlings, Topinambur hat eine ganz ruhige, gelassene, tiefe, feste Kraft.

Sie gibt uns die Kraft, um über die Schwelle, zum Herbst hin, zu gehen.

Man kocht die Knollen frisch in Wasser und isst sie mit Butter, Käse und Wein. Das ist ein Festmahl!
Topinambur ist ein ausgesprochen heilsames Gemüse, sie zu essen ist ein Fest der Wärme, der Liebe, der Güte und des sich erfüllenden Lebens.

Weniger Stress, mehr Gesundheit

Topinambur benötigt nicht sehr viel Pflege. Anfangs etwas jäten, danach überwuchert und verdrängt sie das Beikraut, kommt jedes Jahr wieder und vermehrt sich kräftig. Sie braucht ihre Höhe; wird sie gekürzt, entwickeln sich weniger Knollen.
Die Topinambur- Knollen enthalten sehr viele Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, Enzyme und essenzielle Aminosäuren und Inulin. Dieser Ballaststoff regt die Verdauung an, senkt den Cholesterinspiegel, sorgt für eine gesunde Darmflora.

Menschen, die Topinambur in ihre Ernährung einbauen, empfinden weniger Stress und verbessern das Allgemeinbefinden, weil Leber, Nieren, Darm und Herz besser funktionieren.

Der Rote Rossler
Auch Schnaps wird schon seit Ende des 19. Jahrhunderts aus Topinambur gebrannt. In manchen Gegenden wird dieser mit Blutwurz angesetzt, dieser „Rote Rossler“ hilft bei Magenverstimmung, Durchfall und nach einer zu ausgiebigen Mahlzeit. Und ist die ideale Verbindung zweier ausgezeichneter Helfer in den Herbst.

Text: Katharina Waibel
Fotos: Julia Roemer

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Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. PETRA

    Wunderbare Bilder, kostbares Wissen über den Topinambur, der über mehrere Jahre so üppig in unserem Garten gewachsen ist. Dein Text lässt mich ihn mit neuen Augen sehen und in neuer Tiefe schätzen. Danke, ein wahres Geschenk!