Lilith - die wilde, urweibliche Schöpferinnenkraft
Ich weiss nicht, ob du den Mythos der Lilith kennst?
Lilith war die erste Frau Adams, noch vor Eva. Sie lebten zusammen im Paradies. Es hiess, dass Gott Adam und Lilith aus der gleichen Erde geformt hatte. Da sie aus der gleichen Erde waren, das heisst gleichberechtigt, wollte Lilith beim Sex mit Adam nicht «unten liegen», also unterlegen sein, was Adam gern gehabt hätte. So suchte er Unterstützung bei Gott und hoffte, dass dieser Lilith umstimmen würde. Gott schickte drei Engel als Warnung für Lilith, doch Lilith liess sich nicht einschüchtern und rief mutig die heiligen Namen Gottes. Sie lehnte jegliches Einlenken ab und … da gibt es nun zwei Versionen. In der einen verliess sie kurz danach Adam und das Paradies, in der zweiten Version wurde sie verbannt. Als Strafe sollten jeden Tag hundert Kinder von ihr sterben. Sie wurde deshalb für den Tod von Kindern verantwortlich gemacht und wurde dadurch dämonisiert. Daraufhin erschuf Gott aus Adams Rippe eine neue Partnerin für Adam, und das war Eva. Da Eva aus Adams Rippe erschaffen wurde, ist sie die Adam unterlegene, angepasste Frau.
Dadurch, dass Lilith die heiligen Namen Gottes kannte und rief, kam ihre Göttinnenkraft zum Ausdruck. Sie kannte die Namen, die von Normalsterblichen nicht ausgesprochen werden durften, und sie rief sie. Sie kannte die Macht und Magie der Worte und gebrauchte sie.
Diese Schöpfungsgeschichte steht in der jüdischen Bibel, in «unserer» Bibel ist über Lilith nichts mehr zu finden. Der Lilith-Mythos wird auch als Symbol für den Untergang des Matriarchats, der Zeit der Grossen Göttin und das Entstehen des Patriarchats gedeutet. Dem Weiblichen wurde die Kraft genommen und es wurde in den Schatten verdrängt.
In den alten Schöpfungsmythen gab es Muttergöttinnen, alles war beseelt. Am Anfang war die Grosse Göttin und die Göttin war die Erde und die Erde war die Göttin. In matriarchalen Kulturen war das Bewusstsein zyklisch, es bestand aus Leben, Tod und Wiedergeburt. Der Tod war nicht so angstauslösend wie heute, es war die nächste Phase im Zyklus. Die Göttin konnte mütterlich, erotisch, herausfordernd, mitfühlend und zerstörend sein. Das alles konnte sie sein. Erst später wurden von dieser Ganzheit einzelne Eigenschaften abgespalten und patriarchale Götter übernahmen ihre Macht.
Obwohl Lilith verdrängt wurde, entwickelte sie eine umso grössere Kraft in uns. Lilith ist die urweibliche, wilde Schöpferinnenkraft in uns, egal ob wir weiblich oder männlich sind.
Lilith symbolisiert auch das Heilige und das Göttliche in der Sexualität. Durch die Aufspaltung von Körper und Geist und die kulturelle Abwertung unseres Körpers, ist im Kollektiv viel Verletzung geschehen.
Lilith in der Astrologie
Es gibt in unserem Horoskop einen sensitiven Punkt, der der schwarze Mond oder Lilith genannt wird. Er steht für diese wilde, weibliche Urkraft in uns. Lilith ist kein Planet, sondern ein Brennpunkt in der Mondellipse.
Sie braucht 9 Monate, um ein Tierkreiszeichen zu durchlaufen und 9 Jahre, um den ganzen Tierkreis zu durchwandern.
Lilith steht für die Grosse Göttin, ihre Energie und ihre Themen. Für archaische Prozesse wie Geburt, Tod, Initiationsprozesse, Sexualität und Tabus. Sie hat eine starke Wirkung, ist aber nicht immer ganz fassbar.
Lilith sollte aus ihrem Schattendasein ans Licht gebracht also gelebt werden. Da wo Lilith in unserem Horoskop steht, haben wir Erinnerungen daran, wie wir diese Energie im Matriarchat gelebt haben. Sie führt uns in unsere eigene Göttinnenkraft und lässt uns tiefes, altes, weibliches Wissen erinnern. Da wo Lilith in unserem Horoskop steht (im Haus, Aspekt, und Zeichen), braucht es eine bewusste Entscheidung für unsere Entwicklung und Bewusstwerdung. Dort wird uns gezeigt, in welchem Lebensbereich (welches Haus) und wie die Grosse Göttin in uns wirkt.
Lilith zeigt uns ihre dunklen Anteile, wenn ihre Kraft nicht gelebt wird oder wenn sie uns in höhere Bewusstseinsebenen initiiert. Bei Männern hinterfragt Lilith patriarchale Strukturen und Machtthemen, sorgt für gleichberechtigte Beziehungen und verbindet Männer mit ihrer eigenen weiblichen Kraft.
Leben wir unsere Lilith-Energie, kann die weibliche und männliche Kraft in uns (und im Kollektiv) heilen und gleichberechtigt nebeneinander existieren.
So erlösen wir Lilith aus ihrer Verbannung und ihrem Schattendasein und haben Zugang zu ihrer wilden, ungezähmten, archaischen Kraft.
Autorin: Karin Hangartner
Bild: John Collier, 1850-1934 – auf Wikipedia entdeckt
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