Johannistiere (oder Von Bienchen und Blümchen)
So klein die Biene auch ist, ist sie doch mit dem Größten verbunden, um das sich alles dreht. Wie die Sonne, so sind auch die Bienen essenziell wichtig für das Leben – das Überleben – unserer Zivilisation.
Johanniskraut, Johannisbeeren, Johannisblume (wie die Arnika auch genannt wird), Johanniskerze (ein ländlicher Name für die Königskerze) oder auch die Sonnenblume – ihre Namen kennzeichnen diese Pflanzen als Sonnenwesen. Ihre strahlende Kraft und Sommersüße produzieren sie aber allesamt nur für eines: Sex! Und den haben Pflanzen nicht untereinander, sondern mit ihren Liebesdienern, den Insekten. Die Übelriechenden mit den Fliegen, die Nachtblüher mit Nachtfaltern, die Fadenscheinigen mit den Spinnen – und die Sonnenpflanzen mit den Bienen.
Auch Bienen sind Sonnenwesen. Und was für welche!
Der Jahreszyklus im Bienenstock dreht sich ausschließlich um die Sonne. Im Winter bilden die Arbeiterinnen mit ihren Körpern eine wärmende Traube um ihre Königin, deren Kern um die 20 Grad warm ist. Die Wintersonnwende gibt ihnen das Signal, diesen Kern bis auf 35 Grad hoch zu heizen: Die Bienenkönigin beginnt, Eier zu legen. Aus ihnen schlüpfen die ersten Sommerbienen und auch die Drohnen. Bis zur Sommersonnwende läuft das Leben im Bienenstock auf Hochtouren: die Königin legt täglich bis zu 2000 Eier, die Ammenbienen päppeln die junge Generation auf und die alten, erfahrenen Bienen sammeln Pollen und Nektar. Die Sommersonnwende ist für die Bienen das Signal, mit den Vorbereitungen für den Winter zu beginnen. Ab Anfang Juli schrumpft das Volk. Die Königin legt weniger Eier und die Schwarmzeit ist vorbei. Ab August schlüpfen aus den Eiern die Winterbienen, die statt der üblichen fünf Wochen bis zu acht Monate leben.
Nicht nur im Jahreszyklus, auch in der Bienensprache spielt die Sonne eine entscheidende Rolle: Wenn die Sammlerbienen ihren Kolleginnen von einer besonders üppigen Nektarquelle berichten, zeigen sie ihnen den Weg zu diesem Futter anhand des aktuellen Sonnenstandes. Mit ihren Augen sehen Bienen zwar kein Rot, dafür aber die UV-Strahlen der Sonne. So können sie die Sonne orten und zur Orientierung nutzen, selbst wenn sie sich hinter einer geschlossenen Wolkendecke versteckt.
Eventuell ist das auch der Grund, warum das emsige Summen der Bienen bei einer Sonnenfinsternis verstummt. Die Messstationen, die Biologen zur Sonnenfinsternis im August 2017 über die ganzen USA verteilt hatten, fingen während der Phase der absoluten Sonnenverdeckung keinerlei Summlaute mehr von Bienen auf. Im Zwielicht vor der eigentlichen Sonnenfinsternis hatten die Bienen noch weitergemacht wie immer. Doch dann stellten sie augenblicklich jegliches Flug-Geräusch ein und verharrten in der Zeit des Kernschattens vermutlich dort, wo sie gerade saßen: ihr Navi funktionierte einfach nicht mehr.
Ohne die Sonne kein Leben. Ohne die Bienen allerdings auch nicht. Nicht nur wegen des Honigs, dieser Lichtnahrung pur, von dem eine Biene täglich im Schnitt 233 Milligramm produziert. Jeden Tag fliegt sie etwa zehnmal aus und besucht dabei 250 bis 300 Blüten. Letzteres ist der eigentliche große Dienst, den die Bienen der Natur und den Menschen erweisen: Ohne die Bienen gäbe es nämlich auch keine Früchte mehr. Keine Äpfel, keine Birnen, keine Kirschen, keine Johannisbeeren… Und, nebenbei bemerkt, auch kein Johanniskraut, keine Arnika, keine Königskerze und keine Sonnenblumen.
Text: Dagmar Steigenberger
Fotos: Rebecca D. Pixabay
Dir gefällt was wir machen… dann bring uns ins Netz. Danke