Alpenkräuter

Nach den Brautschleierpflanzen und den süßen Rosendüften reift jetzt die Natur. Alles wird voll und rund und alles ist da – viel Freude, viel Arbeit, viel Sonne. Reichtum, Überfluss und endlose Tage.

Die Energie des fortgeschrittenen Sommers ist am besten auf unseren Alpen zu sehen, so viel Arbeit, so viel Bei-sich-selbst-Ankommen, so viel Schönheit und Fülle. Eine Zeit außerhalb der Zeit.

Dort oben laufen die Uhren anders, einen Sommer lang scheint die Zeit still zu stehen. Für all die fleißigen Älplerinnen und Älpler befassen wir uns hier mit den Alpenpflanzen, der Arnika, dem Matau und dem wilden Schnittlauch.

🌿 Die Echte Arnika

Die Echte Arnika (Arnica montana), gehört zur Familie der Korbblütler. Sie gedeiht in den Gebirgen Europas und steht unter Naturschutz. 1986 wurde sie zur Blume des Jahres und 2001 zur Arzneipflanze des Jahres gewählt.
Die Arnika wächst hoch oben in den Bergen, auf Kämmen und Gräten, dort, wo sie den ganzen Tag der Sonne und ungeschützt den Stürmen ausgesetzt ist. Wohlverleih, Stoßkraut, Engelskraut wird sie auch genannt und wer kennt nicht den Arnikaschnaps der Großmutter?
Arnika hilft bei Traumen körperlicher und seelischer Art. Bei Schockzuständen und immer dann, wenn Gewalt im Spiel war. Bei Trauer und großen Verlusten. Dann, wenn es kaum noch zu schaffen ist – bei einer Bergtour oder im Leben selbst.
Arnika hilft bei Zerrungen, Verstauchungen, Blutungen, Prellungen, bei Überanstrengung und Muskelkater, ist entzündungshemmend und kreislaufanregend. – Und sie ist unsere große Seelentrostpflanze.
Arnica Montana ist in der Homöopathie das wichtigste Mittel bei Verletzungen oder Unfällen und dadurch entstandenen Schocks.
Bei Zahnbehandlungen, vor und nach Operationen, nach einer Entbindung und bei Fieber können ›Arnikakügelchen‹ eingesetzt werden.
Echte Arnika wurde früher dem Schnupftabak zugesetzt. Gemeinsam mit Huflattich und Königskerzenblüten wurde Arnika auch als Kräutertabak geraucht.

🌿 Die Alpen-Mutterwurz

Vor noch gar nicht allzu langer Zeit wurden Alpen, auf denen Arnika, Alpen-Mutterwurz und Meisterwurz wuchsen, höher bewertet. Es war dort teurer, die Kühe zu sömmern. Schon der Aufenthalt in solchen Gegenden ist heilsam.
Die rosa bis purpurnen Blüten der Alpen-Mutterwurz (Ligusticum mutellina) erscheinen zwischen Juli und August. Die Blätter sind fein gefiedert und erinnern an Karottengrün.
Matau (ein anderer Name der Alpen-Mutterwurz) ist eine alte Heilpflanze und ein wertvolles Viehfutter. Die Pflanze riecht kräftig und würzig. Wegen der aromatischen ätherischen Öle, die an Fenchel und Liebstöckel erinnern, wird die Alpen-Mutterwurz auch in der Küche verarbeitet. Im Bayerischen Wald wird aus der Alpen-Mutterwurz der Bärwurz-Magenschnaps hergestellt.
Die Alpen-Mutterwurz wird, als einst bekannte Arzneipflanze, oft in Alpensagen und Almsegensprüchen erwähnt. Sie hat viele Volksnamen: viele Muttern, Madaun (vgl. Madautal in den Lechtaler Alpen), Matau (Bregenzerwald), Müatteli (Graubünden), Mutterwurz, Gamskraut.
Wie so oft bei bekannten, alten Heilpflanzen können wir ihre Heilwirkung schon von ihren Bezeichnungen ableiten. Sie ist die Wurzel für die Mutter. Hilfreich bei Geburten, bei Erschöpfung, hilft den Kühen und auch den Frauen wieder auf die Beine. Kühen wurde nach dem Kalben Mutterwurz zwischen zwei Scheiben Brot gegeben. Im Bregenzerwald wird gesagt »ein Hut voll Matau ist so nahrhaft wie ein Büntel Heu« und »viel Matau, viel Käse«. Das Kalben geht besser und die Kühe erholen sich wieder schneller nach der Geburt. Wie immer wird nicht zwischen den Geburten von Mensch und Vieh unterschieden, deshalb ist sie auch die Geburtspflanze für Frauen, hilfreich bei zahlreichen Frauenerkrankungen.
Die Alpen-Mutterwurz soll nach dem Volksglauben da wachsen, wo die Milch der heiligen Maria auf die Erde getropft ist.
Die Alpen-Mutterwurz gehört zu den besten Futterpflanzen der Alpen. In jungem Zustand ist sie reich an Roheiweiß und Fetten. Für das Vieh ist es eine gute Nahrungs- und Heilpflanze. Sie fördert Milchleistung und Milchgüte und wirkt im Darm erwärmend, hilft bei Koliken und schützt vor Erkältungen.
Heute wird die Alpen-Mutterwurz immer seltener, da sie viel gesammelt wird. Es dauert mindestens sieben Jahre, bis der Wurzelstock der Alpen-Mutterwurz groß genug für die Ernte geworden ist.

🌿 Der wilde Schnittlauch

Um die oft karge Kost der Älplerinnen und Älpler aufzuwerten, wachsen viele wertvolle Pflanzen, wie auch der wilde Schnittlauch (Allium schoenoprasum).
Viel Butter und Käse in der Kost verlangt nach Vitamin C und Eisen und genau das enthält der Schnittlauch reichlich. Er reinigt das Blut, macht wach, hilft bei Entzündungen und Husten, bei Appetitlosigkeit und Bluthochdruck. Schnittlauch ist schleimlösend und entwässert.
Und er blüht und wächst den ganzen Sommer lang.

Alpkräuter-Rezepte

🌿 Arnika-Tinktur
Die Haupt-Anwendungsform der Arnika ist die Tinktur, und zwar in reichlich Wasser verdünnt.
Bei der Arnikaernte ist sehr viel Achtsamkeit von Nöten! Der Arnikaspinner, ein schöner Schmetterling, legt seine Eier in die Arnika und dann entwickelt sich im Blütenkopf eine Made, es muss ganz genau darauf geachtet werden, nur unversehrte Blütenköpfe zu pflücken, ansonsten schwimmen die Maden in der Tinktur.

Vorsicht! Arnikarezepturen können zu allergischen Hautreaktionen, Blasen, Juckreiz und sogar Nekrosen führen. Bei innerer Anwendung können innere Blutungen, Durchfall, Erbrechen und Herzrhythmusstörungen auftreten. Daher sollte man sich vorsichtig an die Anwendung der Arnika herantasten.

Arnika ist eine sehr starke Pflanze, viel Wirkung bedeutet immer auch viel Nebenwirkung. Arnika ist gerade deshalb unsere beste Nothelferpflanze. Auch einfach eine Blüte essen, bei großem Blutverlust, Schock, seelischen oder körperlichen Traumen, hilft.
Um eine Tinktur aus Arnika selbst herzustellen, übergießt man Arnikablüten in einem Schraubdeckel-Glas mit gutem 40-prozentigem Schnaps und lässt die Mischung verschlossen 6 bis 8 Wochen ziehen. Dann abseihen, in eine dunkle Flasche abfüllen und zum äußerlichen Einreiben nehmen, innerlich nur tropfenweise.

🌿 Matau-Tinktur
Um eine Tinktur herzustellen, wird die Wurzel der Alpen-Mutterwurz in einem verschließbaren Glas mit Schnaps übergossen, bis alle Pflanzenteile bedeckt sind. Die Mischung lässt man verschlossen 6 bis 8 Wochen ziehen. Nach dem Abseihen in eine dunkle Flasche abfüllen. Von der Tinktur können täglich zwischen 10 und 15 Tropfen eingenommen werden.

🌿 Matau-Tee
Die getrockneten Blüten und Blätter ergeben einen wohlschmeckenden, heilenden, die inneren Organe wärmenden Tee.

🌿 Matau und Schnittlauch in der Küche
Der Schnittlauch wird am besten in der Küche angewandt, denn seine stärkste Heilwirkung entfaltet er, wenn er frisch gegessen wird.

🌿 Schnittlauch-Pesto
Eine große Handvoll frische Schnittlauch-Blüten, etwa 50 Milliliter natives Olivenöl und 25 Gramm Sonnenblumenkerne, etwas Zitronensaft, Salz und Pfeffer. Die Sonnenblumenkerne werden ohne Fett in der Pfanne angeröstet, dann alle Zutaten mit dem Mixstab zerkleinert. Das passt am allerbesten zu frischem Ziegenkäse.

🌿 Älpler-Topfen
Bauerntopfen (Quark) glattrühren, salzen und frisch gesammelten Matau, Schnittlauch und Kümmel fein geschnitten unterrühren. (Auch Kümmel wächst reichlich auf unseren Alpen.)

Matau immer wieder aufs Brot, die Suppe oder auf den Salat gestreut, schmeckt nicht nur gut, sondern dient auch der Gesundheit.

Text und Fotos: Katharina Waibel

Mehr Wissensbündlerei von Katharina gibts im Buch „wilde weiber wünsche“ bei uns im Spinnerinnen-Lädeli

und auch bald im Buch
»Die Spinner:innen
Band 1: Die Geschichtensammlerin«,
das Ende August erscheinen wird.

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